Acht Belletristik-Empfehlungen von sieben Mitarbeiterinnen der Münchner Stadtbibliothek
Antonio Fian: Das Polykrates-Syndrom, empfohlen von Nadine
Wiener Gemütlichkeit trifft groteske Situationskomik: Zunächst vermutet man eine typische Dreiecksgeschichte, doch schnell wird man eines Besseren belehrt. Das Buch diente mir dazu, einen Drei-Stunden-Flug zu überbrücken. Da ich aber ständig laut auflachen musste, wollten meine Mitreisenden es auch alle lesen: eine Ausleihe, vier Leser – und keiner meiner Freunde hat es bereut. Wer sich überraschen lassen will und trockenen, schwarzen Humor liebt, sollte es unbedingt einpacken! (Droschl Verlag, 240 Seiten)
Dörte Hansen: Altes Land, empfohlen von Claudia
Eine wunderschöne, zuweilen anrührende, aber auch lustige Geschichte über zwei Frauen, beide Heimatvertriebene, die eine 1945 aus Ostpreußen, die andere, ihre Nichte, 60 Jahre später, nachdem sie ihren Mann verlassen hat. Sie finden im „Alten Land“ hoch im Norden bei Hamburg zusammen und erleben hier, was für beide Frauen so schwierig war: ein Familienleben. (Knaus Verlag, 290 Seiten)
Chimamanda Ngozi Adichie: Americanah, empfohlen von Katrin
Eine junge Frau verlässt ihr Geburtsland Nigeria, um in den USA ihr Glück zu suchen. In der neuen Heimat wird sie unerwartet auf ihre Hautfarbe zurückgeworfen und begreift langsam, was es bedeutet, schwarz zu sein – angefangen von Bildungschancen und Arbeitserlaubnissen bis hin zum Mangel an Hygieneprodukten für dunkle Haut und krauses Haar. Ein Roman, auf der Höhe unserer Zeit: eine Liebesgeschichte, die um ihre gesellschaftliche Bedeutung weiß; ein Schmöker, der das Politische nicht scheut. (S. Fischer Verlag, 610 Seiten)
David Grossman: Kommt ein Pferd in die Bar, empfohlen von Beate
Mit seinem aktuellen Roman „Kommt ein Pferd in die Bar“ zeigt der israelische Schriftseller David Grossman eindrücklich, dass er zu den bedeutendsten Schriftstellern der israelischen Gegenwartsliteratur zählt.
Für eine gute Pointe gab Dovele schon immer alles. Als Kind lief er oft auf den Händen. Er tat das, um seine Mutter zum Lachen zu bringen und damit ihm keiner ins Gesicht schlug. Heute steht er ein letztes Mal in einer Kleinstadt in Israel auf der Bühne. Er hat seinen Jugendfreund, einen pensionierten Richter, eingeladen. Im Laufe des Abends erzählt der Comedian zwischen vielen Witzen eine tragische Geschichte aus seiner Jugend.
Ein aufwühlender, grausam komischer und herzzereißender Roman, der keine Verschnaufpause zulässt. Keine leichte Kost, aber spannender als mancher Krimi. (Hanser Verlag, 255 Seiten)
Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit, empfohlen von Stefanie K.
Der in München geborene Autor ist gerade mal 32 Jahre alt, hat aber schon seinen dritten Roman geschrieben. In dieser berührenden Familien- und Liebesgeschichte geht es, wie dem Titel zu entnehmen ist, um Einsamkeit, aber auch darum wie wir es mit Hilfe von Familie, Freunden und Partnern schaffen können diese zu überwinden. Es wird die Frage aufgeworfen, inwiefern schwere Schicksalsschläge unserem Leben eine neue Richtung geben, indem sie uns verändern und unser weiteres Handeln beeinflussen, und was das Unveränderliche in uns ist, sozusagen der Kern unserer Persönlichkeit.
Der Roman spielt in München, Berlin und Südfrankreich und ist nicht zuletzt eine großartige Liebesgeschichte. Er lässt einen das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen wertschätzen und macht sensibel im Umgang mit Anderen. Mein absolutes Lieblingsbuch 2016. (Diogenes Verlag, 270 Seiten)
Stefan Schwarz: Die Großrussin, empfohlen von Eva
Um an Geld zu kommen, ging der schüchterne Dr. Ulrich Haselmann in seiner Jugend eine Scheinehe mit der schillernden Jelena Jefimkina ein. Jahre später erhält der inzwischen erneut verheiratete brave Familienvater einen Brief vom Amt, das ihn als neuen Vormund für seinen Sohn einsetzten will. Nur – welcher Sohn? Auf der Suche nach diesem fremden Kind taucht der pedantische Akademiker in die Untiefen seiner Vergangenheit ein – ebenso wie in die der lokalen Mafia. Als dann die schöne Jelena wieder auftaucht, ist das Chaos perfekt …
Eine Geschichte, so wendungsreich wie das Sommerwetter und so humorvoll und sprachgewandt geschrieben, dass ihr hoffentlich neben der Sonnencreme auch Taschentücher dabei habt: Ihr werdet weinen – vor Lachen! (Rowohlt Berlin Verlag, 290 Seiten)
Emily St. John Mandel: Das Licht der letzten Tage, empfohlen von Nadine
So schön kann Postapokalypse sein! Nach einer Epedemie fängt die Menschheit bei Null an. Eine Theatergruppe zieht durch karges, kaputtes Land und unterhält den Rest der Menschheit mit Shakespeare-Dramen; ein selbstgestalter Comic erzählt seine ganz eigene Geschichte vom Weltuntergang. Klischeefreie Momente in einer klaren Sprache heißen die neue Welt willkommen. (Piper Verlag, 420 Seiten)
Lot Vekemans: Ein Brautkleid aus Warschau, empfohlen von Anke
Der Papst in Polen, eine Sommerliebe, Frauen aus dem Katalog, ein Bauer aus Holland, ein verstummter Junge – wer kann dieser Kombination widerstehen? Schon die erste Szene ist einfach packend. Alles beginnt, wie könnte es anders sein, mit einem ersten Kuss:
Den ersten Kuss gab mir Natan unter einer Linde am Rand der Altstadt. Wir hatten uns auf ein Mäuerchen gesetzt und schauten auf den Fluss. Natan zeigte auf das Stadion, das auf der anderen Seite der Weichsel lag. „Weißt du, dass das Stadion schon seit Jahren nicht mehr benutzt wird?“ Ich legte den Zeigefinger auf seine Lippen. „Sag nichts.“ (Wallstein Verlag, 255 Seiten)