Reading Challenge im Dezember: Was sich reimt, ist gut

Die Lyrik gilt gemeinhin als ein sperriges literarisches Genre. Sich die Verse zu Eigen zu machen und die Bedeutung hinter den Worten zu erschließen, kann knifflig sein. Dichtung wird auch selten verfilmt und kaum etwas schmerzt mehr als richtig schlechte Reime und holpriges Versmaß. Umso besser ist das Gefühl, wenn man das richtige Gedicht zum richtigen Zeitpunkt findet. Zum Jahresabschluss stecken wir uns daher noch einmal besonders hohe Ziele: Findet euer neues Lieblingsgedicht – vielleicht ja direkt hier, in unseren Empfehlungen zur Reading Challenge im Dezember?!

Ein Klick aufs jeweilige Cover führt euch in unseren Online-Katalog zum Ausleihen oder Vormerken.

Cover von "The Hill We Climb" von Amanda Gorman
aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Uda Strätling, Hadija Haruna-Oelker und Kübra Gümüs̮ay; Hoffmann und Campe Verlag, 63 Seiten. Auch als eBook

Amanda Gorman: The Hill We Climb – Den Hügel hinauf von

Sobald man ein Gedichtband in der Hand hält, sitzen die meisten wahrscheinlich im Geiste wieder in einem stickigen Klassenzimmer, in dem ein Lehrer über die Reimschemen, historische Hintergründe und grammatikalische Besonderheiten schwadroniert, ohne auch nur einen Gedanken an die Sinnlichkeit und Emotionen hinter der Lyrik zu verschwenden.
Deshalb wird das Buch in neun von zehn Fällen wieder ins Regal gestellt, denn der Schreck ist zu groß. Doch „The Hill We Climb – Den Hügel hinauf“ ist exakt das Buch, um sich in Gedichte zu verlieben. Als Amanda Gorman das Gedicht im Januar 2021 vor dem neuen US-Amerikanischen Präsidenten Joe Biden vortrug, verschlug es der gesamten Welt den Atem.
Gorman schafft es in erstaunlich berührender, eher simpler Sprache den Lesern mit wichtigen politischen Themen zu konfrontieren, ohne auch nur ein einziges Mal jemanden zu beleidigen oder zu erniedrigen, denn es war ihr Ziel Menschen zu inspirieren. Ihr Motto war „In der Kürze liegt die Würze“, was für einen frischen Lyrikleser immer eine gute Sache ist. Auf subtile Art und Weise schafft Gorman es, den Leser in zeitgenössische Fragestellungen miteinzubeziehen.
Es ist auf jeder Ebene eine Pflichtlektüre, für den persönlichen Wachstum, um up to date mit der Welt zu bleiben und um einfach von den schönen Worten verzaubert zu werden.

Sarah-Charlene / Stadtbibliothek Hadern

Cover von "Träume , die auf Reisen führen" von Mascha Kaléko
dtv Verlag, 167 Seiten

Mascha Kaléko: Träume , die auf Reisen führen

„Der Mann im Mond hängt bunte Träume,
die seine Mondfrau spinnt aus Licht,
allnächtlich in die Abendbäume,
mit einem Lächeln im Gesicht.“

…so der Beginn eines der hinreißenden Gedichte aus diesem  Buch liebevoll und witzig illustriert von Hildegard Müller. Entdeckt hab ich ihre „Alltagspoesie“ vor über 30 Jahren, als ich beruflich in die Welt der Bücher eintauchen durfte.
Damals schon habe ich begeistert die schmalen Gedichtbändchen aus dem dtv TB Verlag von ihr gesammelt, u.a. das „lyrische Stenogrammheft“. Alltagspoesie ,weil sie mit wenigen Worten Geschichten aus dem Alltag in Gedichte verpackt ,die einfach Spaß machen und auch noch wunderbar in die heutige Zeit passen! Was gibt es Schöneres, als sich nach einem stressigen Tag kurz Zeit zu nehmen und den ganz speziellen Klang der Wörter auf sich wirken zu lassen…
„Wellness für den Geist“! Ich wünsche viel Vergnügen für Klein und Groß mit diesem Buch.
PS: mein absolutes Lieblingsgedicht ist „Ansprache eines Bücherwurms“

Sabine / Stadtbibliothek Hadern

Cover von "In den Ellipsen des Mondes" von Dagmar Nick
Rimbaud Verlag, 61 Seiten

Damar Nick: In den Ellipsen des Mondes

Dagmar Nick ist eine der größten lyrischen Stimmen der deutschen Nachkriegszeit. Mit 19 Jahren wurde 1945 ihr erstes Gedicht von Erich Kästner in der „Neuen Zeitung“ abgedruckt. Mittlerweile sind von der Münchnerin zahlreiche Gedichte und auch Prosawerke erschienen.
Was bietet sich also besser an für diese Lesechallenge als Dagmar Nicks Debut-Lyrikband? In „In den Ellipsen des Mondes“ sind Gedichte von 1945 bis 1958 gesammelt. Dabei schreibt Nick eindrucksvoll über Flucht im Krieg, ihren Bruder, der nach dem zweiten Weltkrieg als verschollen gilt, und über das Nachwirken des Krieges. Themen, die gerade leider aktueller sind denn je.

Silvia / Monacensia im Hildebrandhaus

Cover von "Eines Tages, Baby" von Julia Engelmann
Goldmann Verlag, 96 Seiten. Auch als eBook und Hörbuch

Julia Engelmann: Eines Tages, Baby

Ich kenne von Julia Engelmann nur dieses Büchlein, sie ist mittlerweile aber Spiegel-Bestseller Autorin und im Katalog der Münchner Stadtbibliothek finden sich über 20 Treffer, auch CDs und eBooks.
Sie gehört mittlerweile also zum Mainstream und tourt durch Deutschland, aber ihre selbstironischen Wohlfühltexte tun in dieser Vorweihnachtszeit einfach gut, und deshalb möchte ich hier auch aus ihrer ‚Wunschliste‘ zitieren:
„… Aber vor allem wünsch ich mir eine Mundharmonika und eine schöne neue Mütze, damit ich musizieren kann und meine Ohren davor geschützt sind.
Ich wünsche mir ein Weltschmerzpflaster zum Mich-selber-Reparieren.
Ich wünsche mir ein Denkarium zum Gedankenaussortieren.
Ich wünsche mir Schuhe, nicht zu große, sondern welche, die gut passen, und ein fußmattengroßes Stempelkissen zum Spurenhinterlassen.
Ich wünsche mir einen Peilsender für meinen Schlüsselbund und ein fancy Batman-Outfit für meinen Schweinehund.
Doch mein größter Wunsch, oh Weihnachtsmann, das würd mir wirklich taugen:
Am allermeisten wünsch ich mir, ich würde an dich glauben.“

Barbara / Stadtbibliothek Sendling

Cover von "Erich Kästners Lyrische Hausapotheke" von Erich Kästner
Atrium Verlag, 207 Seiten

Gedichte, ja bitte!

Aber eine klare Empfehlung für nur eine*n Dichter*in kann ich nicht aussprechen. Genauso wenig gibt es den einen Lyrikband, der es immer trifft.
Wer bei mir immer geht ist Erich Kästner, vielleicht auch weil ich mit seinen Kindergedichten aufgewachsen bin (Das zersägte Motorrad u.a.). Aber es gibt so viele so wahrhafte, schmerzliche und schöne Gedichte von ihm, dass er sich immer wieder lohnt. („Er band vorm Spiegel stehend die Krawatte…“ oder „Als sie einander acht Jahre kannten…“ und viele, viele mehr).
Oder Mascha Kaleko: „Eines lässt sich nicht bestreiten: Jede Sache hat zwei Seiten! Die der andern, das ist eine, und die richtige Seite: Deine.
Dagmar Nick: „Ich hatte es mir dramatischer vorgestellt mit dem Blick in die nächstliegende Galaxie…
Sabine Magnet:Mein Herz war vielleicht angebrochen, auf jeden Fall hat’s wehgetan.
Paul Celan:Ich kann dich noch sehn: ein Echo, ertastbar mit Fühlwörtern, am Abschiedsgrat.
Robert Gernhardt: Ich sprach nachts: Es werde Licht! Aber heller wurd es nicht.
Heinz Erhardt: „Da hilft kein Beten und kein Lästern: Was heute ist, ist morgen gestern.
Oder Dagmar Leupold:Und so erscheint das Leben selbst: hin zum Dunkel, im Rücken das Licht.
Mein Beitrag ist – wie Sie vielleicht schon gemerkt haben – eine allgemeine Ermunterung zum Gedicht. Gehen Sie in Ihre Stadtbibliothek, suchen Sie dort die Lyrik und versinken Sie – egal, wer gereimt hat!

Birgit / Stadtbibliothek Neuhausen

Noch mehr Tipps zur Reading Challenge: Was sich reimt, ist gut

Weitere Buchtipps zum Thema in englischer Sprache findet ihr hier auf Overdrive. Und eine thematisch passende Playlist könnt ihr euch in der Naxos Music Library anhören (kostenlos mit Bibliotheksausweis).


Aufgeschlagenes Buch auf hölzernem Grund

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Schon gesehen? Die Reading Challenge im November.

Hier geht’s zur Themenübersicht der Reading Challenge 2022.

zwei Personen halten sich an der Hand. Zwischen ihren verschränkten Armen steckt ein Buchd

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