Aufruf zur Präzision und „Wortklauberei“

Ein Paragraphen-Reiter: Herbert Rosendorfer

Von Frank Schmitter/ Monacensia im Hildebrandhaus

Die wenigsten Schriftsteller*innen können bekanntlich von ihren Werken leben. In der bunten Palette der sogenannten Brotberufe, die Miete und Rente sichern, bilden die „Dichterjuristen“ eine eigene Spezies. Viele bedeutende Autoren wie J.W. von Goethe, E.T.A. Hofmann, Heinrich Heine, Theodor Storm und Franz Kafka haben Jura studiert und praktiziert. Einige haben ihren Brotberuf gehasst, andere gerne ausgeübt und ihn sogar als literarischen Ideenspeicher genutzt. Zu dieser Kategorie gehört ohne Zweifel Herbert Rosendorfer (1934–2012), den wir hier in der Reihe Schätze der Monacensia vorstellen.

Der gebürtige Südtiroler war vielseitig begabt und hat nach dem Abitur in München zunächst ein Jahr an der hiesigen Akademie der Bildenden Künste studiert, bevor er 1954 zur Juristerei wechselte und bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1997 als Staatsanwalt und Richter tätig war.

Herbert Rosendorfer (Foto: Münchner Stadtbibliothek/ Monacensia)

Spätestens nach dem Sensationserfolg seiner „Briefe in die chinesische Vergangenheit“ (1983) hätte der enorm produktive Autor sorgenfrei von seinen Werken leben können. Rosendorfer schrieb Theaterstücke, „Tatort“-Drehbücher, Hörspiele, Reiseführer, Essays und erzählende Prosa in allen Formen. Aber die Rechtsprechung war ihm, wie er in einem Interview bekannte, nicht nur Aufruf zur Präzision und „Wortklauberei“, sondern auch Inspiration, da der Jurist ständig mit Missständen zu tun habe, die er in seiner Arbeit korrigieren möchte, aber nicht wirklich korrigieren kann (BR/Alpha-Forum, Sendung vom 27.11.1998).

Der Jurist ist notgedrungen mit der Welt unzufrieden … Er versucht, vielleicht in seinen Mußestunden, wenn er über die ideale Welt nachdenkt, eine Realität zu schaffen, um zu zeigen, wie es richtig wäre.

Herbert Rosendorfer (aus: BR/Alpha-Forum, Sendung vom 27.11.1998)

So ist es kein Zufall, dass er sich in manchen Werken explizit mit der Jurisprudenz auseinandersetzte wie in „Ballmanns Leiden oder Lehrbuch für Konkursrecht“. Er tat es auf ausgesprochen überraschende, phantasievolle und unterhaltsame Weise – nicht als Paragraphenreiter, sondern als Paragraphen-Reiter.

Und so ist es auch kein Zufall, dass der vielfach geehrte, am 20. September 2012 verstorbene Schriftsteller seine Richterrobe als Teil seines literarischen Nachlasses betrachtete und dem Literaturarchiv der Monacensia übergab. Sie liegt sorgsam gefaltet im Magazin neben rund dreitausend Briefen, 240 Manuskripten, Kalendern, Schreibbüchern und zahlreichen Rezensionen seiner Werke.

Richterrobe (Foto: Münchner Stadtbibliothek/ Monacensia)


Auch interessant:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Beitragsnavigation: