#WirZiehenUm: Wie alles begann

Carolin Becker und Thomas Bartholomé im Interview

Durch die Sanierung des Gasteig teilt sich die Stadtbibliothek am Gasteig künftig auf mehrere Orte auf. Eine große Veränderung erwartet all unseren Kolleg*innen. In dieser Serie geben wir Einblicke, wo es die einzelnen Akteur*innen hinzieht und was der Umzug für sie bedeutet.

Die Stadtbibliothek befindet sich ab 8. Oktober im HP8 in Sendling und ab 26. November im Motorama.

Die Stadtbibliothek Am Gasteig ist die Zentrale der Münchner Stadtbibliothek: Als größte Filiale zählt sie täglich 3.000 Besuche von Münchner*innen, die etwas Neues lernen, auf Entdeckungsreise gehen, arbeiten, Zeitung lesen, Musik hören oder an Veranstaltungen teilnehmen. Am 31. Juli öffnet die Bibliothek zum letzten Mal ihre Türen – dann geht es in die Interimsquartiere ins HP8 und Motorama. Doch wie zieht eine komplette Bibliothek um? Und was wird sich an den neuen Standorten ändern? Das haben wir Carolin Becker, Leiterin der Stadtbibliothek Am Gasteig, und ihre Stellvertretung Thomas Bartholomé gefragt.

Frau Becker, Herr Bartholomé, welche Bedeutung hat der Umzug der Stadtbibliothek Am Gasteig? Sowohl für die Bibliothek selbst als auch für ganz München?
Becker: Für uns hat der Umzug eine große Bedeutung. Er bietet die Chance, unsere Angebote neu zu strukturieren und unser Publikum zu überraschen. An beiden Interimsstandorten werden wir künftig mit Themenschwerpunkten vertreten sein. Im HP8 stehen Musik und lebenslanges Lernen und Sprachen im Fokus. Im Motorama heben wir Familie, Gaming und digitales Lernen hervor. Die Dauerbrenner wie Romane und Sachbücher werden selbstverständlich an beiden Orten zu finden sein. Darüber hinaus planen wir zahlreiche Angebote und Veranstaltungen, bei denen wir die Besucher*innen stärker miteinbeziehen möchten. Und schließlich werden wir in sogenannten Labs Räume zum Lernen, Gamen und für Musik öffnen. Wir freuen uns schon sehr darauf!

Bartholomé: Natürlich ist unser Umzug mit vielen Veränderungen verbunden, aber insgesamt können wir sagen, dass die Stadt München keine Einschränkungen haben wird. Unser gesamtes Angebot bleibt weiterhin verfügbar. Sollte ein Medium an einem Ort nicht vorrätig sein, kann man sich dieses kostenlos bestellen – sowohl an die Interimsstandorte als auch in alle anderen Stadtteilbibliotheken sowie in die Juristische Bibliothek und die Monacensia im Hildebrandhaus. Zudem haben wir mit dem Motorama einen Standort gefunden, der sich unmittelbar am Gasteig befindet. Besucher*innen müssen nur die Straße überqueren und sind wieder in einer Münchner Stadtbibliothek. Wir bleiben weiterhin ein Ort für alle.

Wie fing eigentlich alles an? Wie plant man so einen großflächigen Umzug?
Becker: Am Anfang war das natürlich eine große Herausforderung. Unser Wunsch war, nicht einfach nur mit unseren Büchern, Filmen, Konsolenspielen, Zeitungen und Zeitschriften sowie unserer Musik umzuziehen. Wir wollten mit innovativen Ideen und Kreativität neue Bibliotheken gestalten. Deshalb holten wir uns vor zwei Jahren Unterstützung vom Ministerium für Vorstellungskraft – einem Kollektiv aus kreativen Bibliotheksberater*innen aus den Niederlanden. In mehreren Workshops wuchs die Idee, dass die Bibliothek der Zukunft ein Ort wird, der in vielerlei Hinsicht überrascht – Mit unerwarteten Herangehensweisen und der Beteiligung der Bürger*innen möchten wir die Bibliothek aufregend und sich stets weiterentwickelnd präsentieren.

Bartholomé: Was den tatsächlichen Umzug betrifft, war schnell klar, dass wir für die Stadtbibliothek Am Gasteig keinen Interimsstandort finden, der genauso groß wie jetzt ist. Deshalb wussten wir früh: Wir werden uns auf zwei Bibliotheken aufteilen. Nach dieser Idee richteten sich unsere Umzugspläne.

Becker: Ein großer Vorteil ist, dass die Münchner Stadtbibliothek schon viel Erfahrung mit Bauprojekten hat. Parallel zum Umzug der Stadtbibliothek Am Gasteig organisiert unsere Bauabteilung für die kommenden Jahre neue Bibliotheken oder Umbauarbeiten in den Stadtteilen Bogenhausen, Freiham, Neuaubing und Riem. Auch in der Vergangenheit sind wir mit Bibliotheken umgezogen, wie zum Beispiel Ende 2019 mit der Stadtbibliothek Fürstenried.

Fein sortiert: Weiße Medien kommen ins HP8, für gelbe geht es ins Motorama. Blau kommt ins Magazin nach Oberschleißheim.

Was ist beim Umzug bisher passiert?
Bartholomé: Unser Umzug startete im Herbst 2020. Zu diesem Zeitpunkt begannen wir das Magazin mit rund 800.000 Medien an den neuen Standort nach Oberschleißheim zu befördern. Ende März waren wir fertig. Die Medien aus dem Magazin können sich Besucher*innen kostenlos in eine Bibliothek ihrer Wahl bestellen.

Becker: Unsere bisher umgezogenen Medien mussten wir auch digital „versetzen“. Im Online-Katalog wurde hinter jedem Medium der neue Standort Magazin vermerkt. Bei unseren übrigen Medien kümmern wir uns seit einiger Zeit um eine sinnvolle Struktur. Hier haben wir zuerst eine Auswahl getroffen, welche Medien nach den passenden Schwerpunkten zu welchem Interimsstandort kommen. Diese Struktur müssen wir nun einerseits für den Online-Katalog, aber auch für den Umzug selbst sichtbar machen: Dafür bekleben wir jedes einzelne Medium händisch: Medien mit blauem Punkt kommen nach Oberschleißheim, gelbe Medien gehen ins Motorama und weiße ziehen ins HP8.

Bartholomé: Ebenfalls ein großes Thema sind die Eröffnungen der Standorte. Hier planen wir schon fleißig, wie wir die Eröffnungsfeiern im November im HP8 und im Motorama gestalten werden – und sind schon sehr auf die Reaktionen unseres Publikums gespannt.

Wie lange dauert so ein Umzug einer Bibliothek?
Becker: Das ist von Bibliothek zu Bibliothek unterschiedlich. Wenn wir vom ersten Umzug des Magazins bis zum Ankommen im Motorama am 26. November ausgehen, dauert es fast ein Jahr – bei über einer Million Medien, die wir sinnvoll auf drei Standorte verteilen müssen. Dazu machen die Medien nur einen Teil des Umzugs aus: Wir ziehen auch mit Regalen, Tischen, Stühlen und unserer IT-Infrastruktur um. Bei der Stadtbibliothek Am Gasteig sind wir zudem in der besonderen Situation, dass nicht nur wir, sondern alle Institute im gleichen Zeitraum umziehen. Neben uns ziehen auch die Münchner Philharmoniker, die Münchner Volkshochschule, die Hochschule für Musik und Theater und die Gasteig GmbH um. Hier ist viel Koordination und Abstimmung unter allen Beteiligten gefragt. Unser großes Nadelöhr dabei ist die Tiefgarage im Gasteig. Hier müssen alle Umzugsgüter durch.

Was bedeutet der Umzug eigentlich für die Mitarbeitenden?
Bartholomé: Für die Mitarbeitenden verändert sich Vieles, da sie künftig nicht mehr alle an einem Ort sein werden. Um auch während der Interimszeit ein großes Team zu bleiben, werden sie zwar einer Bibliothek zugeordnet, aber regelmäßig auch an anderen Standorten eingesetzt. Neben dem Standortwechsel wird es für sie auch viele neue Formen der Zusammenarbeit geben. Erwachsenenbibliothekar*innen werden sich mehr Wissen über die Kinder- und Jugendbibliothek oder die Musikbibliothek aneignen. Und umgekehrt lernen Kolleg*innen aus dem Kinder- und Jugendbereich sowie Musikbereich Neues dazu.

Becker: Das Tolle daran ist: Dieser Umzug bietet uns allen die Chance, an den Interimsstandorten neue Ideen zu gestalten und hinsichtlich des Medienbestands oder Veranstaltungen Experimente zu wagen. Angebote zu Schwerpunktthemen der Bibliothek wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung oder Demokratie werden wir standortübergreifend erarbeiten. Unser großes Thema im Interim ist das Thema Transit, also der Übergang – das beinhaltet auch den eigenen Umzug. Erkenntnisse, die wir aus unserer Interimszeit im HP8 und im Motorama ziehen können, sind sehr wertvoll für uns und helfen uns dabei, uns im Neuen Gasteig als Bibliothek der Zukunft zu präsentieren. Alles in allem werden sich in dieser Hinsicht die Mitarbeitenden stark weiterentwickeln. Es wird für uns alle eine spannende und experimentierfreudige Zeit!

Auf was können sich Bibliotheksnutzer*innen an den neuen Standorten freuen?
Bartholomé: Grundsätzlich auf längere Öffnungszeiten: Sowohl im HP8 als auch im Motorama möchten wir zwei Open Library Bibliotheken eröffnen. Das bedeutet, dass Besucher*innen die Bibliothek noch länger nutzen können – auch ohne die Anwesenheit von Mitarbeitenden.

Becker: Ich bin schon sehr gespannt, wie unsere Nutzer*innen auf die neuen Themenwelten und Labs reagieren werden. Wir möchten damit unser Publikum zum Entdecken einladen sowie neue Anreize schaffen. Im HP8 möchten wir mit dem Thema Musik nicht nur den Medienbestand zeigen, sondern die Menschen auch interaktiv in die Welt der Musik eintauchen lassen. In Sonic Chairs können sich Besucher*innen ihre Lieblingsmusik anhören oder im Music Lab eigene Musik aufnehmen. Darüber hinaus möchten wir den Spielplan unserer Nachbarn, der Münchner Philharmoniker, mit unserem Bestand in der Bibliothek begleiten. Wenn Besucher*innen abends aus dem Konzert kommen, können sie sich noch für den Heimweg die passende Musik mitnehmen. Im Motorama wiederum liegt der Fokus auf Gaming: Im Gamelab und bei Veranstaltungen möchten wir sowohl erfahrene Gamer*innen als auch Anfänger*innen für Spiele begeistern. Kurzum: Wir freuen uns, unsere Besucher*innen ab Herbst an den neuen Standorten Willkommen zu heißen!

Vielen Dank für das Gespräch! Wir sind schon sehr gespannt, was die neuen Standorte bringen werden.

Wer noch mehr über den Umzug erfahren will, für den lohnt sich ein Blick in unser Umzugs-FAQ.


Hier gibt es weitere Artikel aus unserer Umzugsreihe #WirZiehenUm.

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