Ein kleines Trauerspiel über Bugs, Features und die Zukunft
Anfang Januar glaubte ich, eine Lösung gefunden zu haben für eine Frage, die mich schon länger umtreibt: Gibt es eine Möglichkeit, einen Ort auf Facebook zu schaffen, wo sich all diejenigen treffen und austauschen können, die bei unserer Reading Challenge 2019 mitmachen? Eine Gruppe zu gründen, kam aus verschiedenen Gründen nicht in Frage. Andere Idee also: Ich lege eine Veranstaltung an, datiert auf den 31.12.2019, und im Kommentarthread dieser Veranstaltung können wir uns dann Tipps geben und gemeinsam diskutieren; zudem kann ich dort an die nächste Aufgabe erinnern und weiterführende Links posten.
Gesagt, getan. Ich freute mich sehr auf die Reaktionen, weil ich die Idee für gut hielt – und wurde arg enttäuscht, weil Facebook den Beitrag schlicht nicht ausgespielt hat: 0 Reichweite, 0 Reaktionen. Ich habe es noch zwei weitere Male versucht. Mit demselben Ergebnis. Letztendlich habe ich das Projekt abgesagt: Community-Building erfolgreich verhindert – von Facebook wohlgemerkt. Es gibt wirklich kaum ein merkwürdigeres Gefühl, als etwas auf Facebook zu posten und von niemandem gehört zu werden.
Wer einen Gutteil seiner Arbeit mit Facebook verbringt – oder auf oder in, wie sagt man da eigentlich? -, der ist von der mangelnden Professionalität dieser Aufmerksamkeitsmaschine üblicherweise dauergenervt. Zumindest mir geht es so: Wirklich täglich schraubt das Unternehmen an der Mechanik, und in derselben Frequenz muss man sich dann einen neuen ‚Workaround‘ überlegen, wie dieses oder jenes, was gestern noch ging, heute auch noch gehen könnte. Bleibt weniger Zeit für die wichtige Community-Arbeit, die ja das Großartige und Schöne und Bereichernde ist.
Wer wie ich in regelmäßigen Abständen Kolleginnen und Kollegen zu Facebook-Redakteur_innen schult, ist deshalb ständig zur Überarbeitung der Unterlagen und zum Informationsabgleich in der Gruppe gezwungen: Ja, stimmt schon, das machte man früher so, aber jetzt macht man das so, und warum es so nicht geht, weiß ich leider auch nicht. Und wenn man sich dann noch getraut, die Frage weiter in eine Facebook-Gruppe aus Facebookseitenadmins zu tragen, stehen die Chance gut auf eine Unterrichtsstunde in Sachen Mansplaining.
Zugleich fasziniert mich fast jeder einzelne Bug, den Facebook produziert. Denn daran erkennt man sehr gut, woran das Unternehmen je gerade bastelt. Eine Dauerbaustelle, und also offenkundig ein Motor der Maschine, ist etwa der Veranstaltungskalender. Das ist nicht weiter verwunderlich. Tatsächlich dürfte auch Facebook längst begriffen haben, dass es damit ein (weiteres) Problem lösen könnte, das viele „Heavy User“ des Internets – und sind wir das nicht alle längst? – beschäftigt: Wie kriege ich Ordnung in die vielen Informationen? Orga-Tools, Merk-Apps, RSS-Feeds – das sind für Facebook womöglich härtere Konkurrenten als Amazon und Google. Oder anders: Wenigstens den Kampf gegen die beiden Letzteren hat Facebook immer schon verloren.
Woran ebenfalls recht konstant gewerkelt wird, ist die Verknüpfung des persönlichen Profils von Seiten-Administrator_innen und der von ihnen betreuten Seite. Schon seit einiger Zeit dürfen Seiten nur noch von individuellen Profilen verwaltet werden; seit kurzem kann man die Namen der Seiten, für die man verantwortlich ist, im eigenen Profil einblenden, als weiteres Puzzleteil des digitalen Selbstporträts. Immer wieder kommt es vor, dass ich Nachrichten der Seite auf das private Profil bekomme, aktuell vor allem, wenn es um Veranstaltungen geht (siehe oben).
Für das Gegenteil, die Vernetzung von Seiten untereinander, interessiert sich Facebook dagegen herzlich wenig. Die zugehörigen Funktionen sind unhandlich, schwer oder schon gar nicht mehr zu finden und teils nicht einmal im Corporate Design (giftgrün statt blau, als wollte man vor der Benutzung warnen). Seiten sind bei Facebook buchstäblich nicht sehr gerne gesehen, weil sie über das Netzwerk hinausweisen – nicht nur ganz pragmatisch durch Links nach draußen, sondern insgesamt durch Verweise auf ein Leben jenseits der Plattform. Das meint Mark Zuckerberg wohl, wenn er von den „bedeutungsvollen Interaktionen“ spricht, die das jüngste Algorithmus-Release befördern solle: Bedeutungsvoll ist in diesem Sinne nur, was auf/in Facebook stattfindet. Oder anders: Der Begriff „bedeutungsvoll“ bezog sich nie auf die Perspektive der Nutzer_innen.
Bedeutungsvoll sind für Facebook dank der fortschreitenden Entwicklung auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz mittlerweile keinen reinen Klick- oder Altersdaten mehr. Sondern die Themen und die Emotionen der Nutzerinnen und Nutzer. Und darüber reden sie untereinander eben doch offener und klarer, als wenn sie mit einer Seite ins Gespräch kommen. Die Re-Privatisierung von Facebook ist mithin nicht einem „back to social“ geschuldet, sondern der Organisation einer zukunftsfähigen und reibungslosen Beziehung zwischen Mensch und Maschine. Das muss an sich nichts Schlechtes sein (und verhindern lässt es sich ohnehin nicht). Aber wir sollten uns als Gesellschaft besser möglichst bald darüber klar werden, wem wir das Design dieser Beziehung anvertrauen.
Featured Photo: Nathan Dumlao / Unsplash
Sehr interessanter Artikel! Ich bin schon länger nicht mehr bei Facebook, weil ich das Gefühl hatte, dass es mir nie etwas anzeigst, das mich interessiert. Was Du beschreibst, zeigt die Situation von einer noch reflektierteren Perspektive! Was waren die Gründe, keine Gruppe einzurichten?
Jahrhunderte später antworte ich dann endlich mal – entschuldige, dein Kommentar war in den Tiefen des Spamordners vergraben, warum auch immer.
Eine geschlossene Gruppe kommt imho für eine öffentliche Bibliothek nicht infrage. Und eine offene Gruppe ist auf Facebook ja kaum mehr handhabbar, wenn man nicht 24 Stunden damit beschäftigt sein will…
Liebe Katrin,
das ist ein netter Blick hinter die Kulissen eines Facebook-Admin. Sachlich und differenziert, was beim Thema Facebook oft nicht der Fall ist. Ich selber kenne das Facebook-Backend nicht näher, kenne aber von anderen Plattformen den Dreiklang aus „Wie geht das?“, „Wieso geht das nicht?“ und „Früher ging das doch.“ und die Nerven, die einen das kostet. 😉
Danke!
Danke Dir für die netten Worte! Es ist eigentlich echt toll, mit Menschen so umstandslos ins Gespräch zu kommen – wenn da nur Facebook nicht wäre 😉