Alexander von Schönburg: „Weltgeschichte to go“
Ein bisschen flapsig ist er ja schon, der Titel des Geschichtsbuches von Journalist Alexander von Schönburg. Und dann ist auf dem Cover auch noch ein Plastikbecher mit Napoleon zu Pferde abgedruckt. Da erwartet man eher ein oberflächliches, leicht konsumierbares Produkt eines Autors, der mit Titeln wie „Die Kunst des stilvollen Verarmens“ und „Smalltalk“ bekannt geworden ist.
Aber weit gefehlt! „Weltgeschichte to go“ ist eine Sammlung glänzend formulierter Aufsätze, in denen von Schönburg den Versuch macht, dem Leser die wichtigsten zivilisatorischen Entwicklungslinien der letzten 6.000 Jahre nahezubringen. Dass er dabei fast alles auslässt und die Schwerpunkte höchst subjektiv setzt, liegt bei nur 284 Seiten in der Natur der Sache. Wissenschaftlichen Ballast sucht man bei von Schönburg vergebens. Schon auf den ersten Seiten wird deutlich, dass der Autor journalistisch geschult ist und weiß, wie man schwierige Fakten leicht verständlich und gleichzeitig geistreich aufbereitet.
„Weltgeschichte to go“ ist in zehn Kapitel und einen „Nachschlag“ aufgeteilt. Alexander von Schönburg arbeitet dabei nicht die allzu bekannte, europäisch zentrierte Abfolge von Ur-/Frühgeschichte – Antike – Mittelalter – Neuzeit ab. Stattdessen nimmt er sich jeweils ein großes Menschheitsthema zur Brust und erzählt von Episoden, die besonders folgenreich für die Entwicklung der Zivilisation war. In Kapitel sechs etwa, „Oder kann das weg?“, geht es um den Domschatz von Aachen und um das Lotharkreuz. Wir erfahren hier, dass das Symbol des gekreuzigten Christus 1.000 Jahre lang völlig unbekannt war. Erst im 10. Jahrhundert wurde das Kruzifix zur zentralen Ikone des Christentums. Mit der Darstellung des leidenden Jesus wird in der Kunst zum ersten Mal der Mensch als Individuum wahrgenommen.
Im Kapitel „Die Monster AG – Über das Böse in der Geschichte“ schreibt von Schönburg über Hitler und dessen Familie. Es geht um die Frage, ob der Diktator „normal“ war und wie sich die fatale Faszination des Bösen erklären lässt. Brillant verknüpft der Autor verschiedene Ansichten und zitiert Personen der Zeitgeschichte – darunter Joachim Fest, Winston Churchill –, um das Phänomen greifbar zu machen. Das ist überhaupt eine der großen Stärken des Buchs: dass Alexander von Schönburg immer wieder Philosophen und Kulturwissenschaftler zu Wort kommen lässt, denn „am Ende sind doch Soziologen und Philosophen die einsichtsreichsten Geschichtsschreiber“. Damit gelingt es ihm, seinen Geschichtsentwurf in einen größeren Rahmen zu stellen. So erklärt er schon in der Einleitung, dass Karl Jaspers in „Vom Ursprung und Ziel der Geschichte“ die Menschheitsgeschichte in vier Perioden aufgeteilt hat – eine „absurde, aber hilfreiche Kategorisierung“, an die sich von Schönburg weitgehend hält.
„Weltgeschichte to go“ ist kein Buch für rein an Fakten Interessierte, die nur wenig Vorwissen mitbringen. Um die Grundzüge der Globalgeschichte kennen zu lernen, empfiehlt sich da eher das hervorragende „Eine kurze Weltgeschichte für junge Leser“ von Ernst H. Gombrich. Vielmehr ist von Schönburgs Buch ein hoch subjektiver, anspielungsreicher und präzise argumentierender Essay eines Arbeitstiers – die Literaturliste von klassischen und zeitgenössischen Standardwerken ist beeindruckend.
Höchstwertung!
Alexander von Schönburg: Weltgeschichte to go. Rowohlt Berlin, 288 Seiten