Vielleicht erinnern sich noch ein paar von euch an meinen Blogartikel im Sommer Wo gibt’s die tollsten Bibliotheken der Welt?. Unter anderem hatte ich da über die Bibliothek im Osloer Stadtteil Stovner berichtet und versprochen, mir im Herbst selbst ein Bild von der Bibliothek zu machen. Ende Oktober war ich also nun in Oslo und habe mir endlich die Filiale der Deichman Bibliotheken ‚in echt‘ ansehen können. Und was soll ich sagen … Ich habe mich spontan verliebt!
Aber von Anfang an: Stovner liegt im Nordosten der norwegischen Hauptstadt und hat ca. 30.000 Einwohner. Seit einigen Jahren wächst der Stadtteil stark, und die Bevölkerung ist bunt gemischt; das Einkommensniveau ist im Vergleich eher niedrig. Vielleicht kein ‚Problemviertel‘ aber, auch nicht ohne Herausforderungen.
Die Filiale Deichman Stovner liegt in einem beliebten und sehr belebten Einkaufszentrum. Die U-Bahn hält direkt am Zentrum. Ein idealer Standpunkt also. Einziger Wermutstropfen aus meiner Sicht: Wenn man nicht weiß, dass die Bibliothek im 3. Stock des Einkaufzentrums liegt, dann kann die Suche nach dem Eingang recht lange dauern …
Die Einrichtung haben sich die norwegischen Kolleginnen und Kollegen zusammen mit dem mittlerweile sehr bekannten Architekten Aat Vos erdacht und umgesetzt (siehe Website von Aat Vos). Der wichtigste Gedanke war, dass die Bibliothek ein Treffpunkt für die Nachbarschaft sein soll, wie ein großer Park, in dem man sich trifft und gemeinsam aktiv ist. Auch Nachhaltigkeit ist ein Thema.
Das mit dem Treffpunkt funktioniert auf jeden Fall. Wir waren an einem Samstag dort, und was gleich auffiel: Im Eingang saßen drei Frauen, die gemeinsam Norwegisch gelernt haben, auf dem Sofa in der Nähe saß ein Zeitungsleser; an den Arbeitsplätzen, die sich an der ganzen Fensterfront entlang schlängeln, saßen große und kleine Menschen und haben recherchiert, gesurft, gelesen, gelernt, gespielt … In der Kinderecke war dagegen gähnende Leere, aber das lag wohl eher daran, dass gerade ein Clown zu Besuch war: Der Platz vor der Bühne war entsprechend gefüllt. Und mittendrin immer wieder kleine Grüppchen von Menschen, die sich angeregt ausgetauscht haben. Insgesamt also eine lebhafte, aber nicht laute Atmosphäre.
Was mir besonders gefallen hat: die verschiedenen ‚Sichtmöglichkeiten‘. Jede / jeder kann vom Einkaufszentrum in die Bibliothek sehen, jede / jeder kann natürlich aus der Bibliothek in das Zentrum sehen. Überall gibt es kleine Winkel, Ecken, Möbel, die den Blick öffnen oder auf einen anderen Bereich lenken – und das obwohl der Raum nicht riesig ist (1.146 m²). In einer Dreiviertelstunde habe ich ständig Neues entdeckt, und oft waren es die Details, die einen staunen ließen, wie die beiden Sessel, die überraschenderweise hinter einem Regal auftauchten und in denen ich mich gleich vor meinem inneren Auge lesend und kaffeetrinkend gesehen habe.
Dass sich der Raumeindruck ständig ändert, hängt auch mit der sehr flexiblen Möblierung und Ausstattung der Bibliothek zusammen: Kisten und Regale auf Rollen, Vorhänge, die je nach Bedarf die Bühne, einen Arbeitsplatz oder einen anderen Bereich visuell abgrenzen, und immer wieder kleine Verstecke, die es einem ermöglichen, dem Trubel zu entfliehen und trotzdem mittendrin zu sein.
Ich könnte noch ewig weiter schwärmen, aber ich schließe dann doch lieber mit einer kleinen Anekdote: Als ich meiner Mutter, einer ausgewiesenen Nicht-Bibliotheksbesucherin, die Bilder aus Stovner gezeigt habe, war ihr spontaner Ausruf: „Da will ich auch hin!“ Mehr muss, glaube ich, nicht gesagt werden 🙂
Dem möchte ich mich anschließen, da will ich auch hin, so eine schöne Wohnzimmeratmosphäre, das sieht soooo gemütlich aus. Da würde ich mich zu gern mit Nachbarn und Freunden treffen oder einfach stundenlang schmökern. Als Ergänzung noch ein Feuerchen im Kamin (aber geht ja nicht in einer Bibliothek), eine Tasse Tee und eine Bibliothekskatze ….. 😉