Blogparade Public! Eine Zusammenfassung in vier Geboten

Seit dem Ende unserer Blogparade sind über drei Monate vergangen, und mir ist es selbstredend furchtbar peinlich, dass die für Ende März angekündigte Zusammenfassung nun also erst im Juni erscheint. In meinen normalen Arbeitsalltag, das weiß ich nun, lässt sich so etwas kaum bis gar nicht integrieren: Selbst wenn die Anzahl der Beiträge überschaubar ist, sind doch alle in sich so vielfältig, dass zumindest mir das Weglassen und Auf-einen-Nenner-Bringen ziemlich schwer fällt. Damit die Zusammenfassung aber nicht noch länger auf sich warten lässt, gibt es hier nun die radikale Variante: die Quintessenz unserer Blogparade in vier Handlungsanweisungen für die Bibliotheken der Zukunft.

 

1. Verbreitet Medienkompetenz.

Ich weiß, dass der Begriff „Medienkompetenz“ nicht gut gelitten ist, vor allem nicht bei denjenigen, die dafür hauptberuflich verantwortlich sind (hallo, Astrid!). Ich finde dennoch, dass er treffend beschreibt, worum es geht, nämlich um den bewussten und reflektierten Umgang mit Medien aller Art – womit nicht die bibliothekarischen Medien (Bücher, DVDs, CDs, Spiele usw.) gemeint sind, sondern Kommunikationsmittel im weitesten Sinne, angefangen bei der Sprache über Bücher und Zeitungen bis hin zu Apps und Social Networks. Bibliotheken müssen diese Kompetenz nicht nur lehren in gesonderten Workshops, sondern auch im Ganzen ausstrahlen – daher der Begriff „verbreiten“. Es ist längst nicht mehr damit getan, ein oder zwei Medienpädagoginnen im Haus zu haben, die sich mit digitalen Medien auskennen. Auch an jeder Infotheke muss man Bescheid wissen sowohl über die eBook-Leihe als auch über die Fake-News-Problematik. Und darüber – darauf wurde nicht nur einmal hingewiesen – darf die Vermittlung der grundlegendsten aller Fertigkeiten nicht vergessen werden: die Leseförderung.

Widmet euch der Leseförderung (keine Ausreden)“ (DonBib/ultrà biblioteka)

Ich hätte gerne einen Ort, an dem man den Fakten nachspüren kann. Recherche mit allen Sinnen.“ (Mikel Bower)

Ihre klassischen Betätigungsfelder wie Bestandsaufbau- und pflege, (digitale) Informations- und Medienvermittlung, Sprach- und Leseförderung werden trotz dieser Ausrichtung [als Ort der Bürgerbeteiligung, s.u., KS] nicht in Frage gestellt.“ (Anke Buettner/Blog der Münchner Stadtbibliothek)

Unsere Vision ist klar: Die Zentralbibliothek ist das literarische Zentrum und der „Ort der Literatur“ in Düsseldorf.“ (Stephan Schwering/Blog der Stadtbüchereien Düsseldorf)

In der Bibliothek ist das wichtigste Recherchewerkzeug für die vorhandenen Medien der Katalog. Durch RDS ist der Bibliothekskatalog für Nutzer (und auch für manche Bibliothekare) noch unübersichtlicher geworden. So muss ich jedes Mal meine Bibliothek und meine bevorzugten Suchkriterien auswählen. In Apps von Netflix und Amazon ist das alles viel intuitiver als in den meisten Bibliothekskatalogen.“ (Melanie-Katharina/Melone meets Minze)

Eine der wichtigsten Eigenschaft in der heutigen Zeit ist die Medienkompetenz, die sich nicht nur auf Bücher beschränkt. Alle Medien sollten als gleichwertig angesehen werden. Es ist egal, ob man die Geschichte über ein E-Book-Reader oder gedrucktes Buch liest. Auch ist es egal, ob man ein Brettspiel oder ein Computerspiel spielt. Alles ist wichtig und richtig.“ (Melanie-Katharina/Melone meets Minze)

 

2. Handelt im Dienst der Stadtgesellschaft.

Dieses Thema hat gleich der erste Beitrag der Blogparade angestoßen: Gerhard Schleiwies von der Stadtbibliothek Salzgitter gelangt über eine Kritik an tradierten Erfolgsmessungen via BIX (Bibliotheksindex) oder Ausleihzahlen zu seinen Zweifeln an der Tauglichkeit des aktuell wohl beliebtesten Vorbilds Skandinavien. Am wichtigsten sei stets und weiterhin der Bedarf der Stadt. Und mit dieser Meinung steht er beileibe nicht alleine da.

Die Lösung, welche Bibliothek die Kommune im urbanen Raum benötigt, ist meiner Auffassung nach im lokalen Raum zu suchen. (Gerhard Schleiwies/Stadtbibliothek Salzgitter)

Das [Schulprojekte, Integrationarbeit, Schreibwerkstätten, KS]  ist nicht sexy, das ist sicher kein hypermodernes Leuchtturmprojekt. Aber es ist das, was die Stadt braucht. (Gerhard Schleiwies/Stadtbibliothek Salzgitter)

Die Frage ist nicht, ob wir zu wenig Aufmerksamkeit als Institution erhalten, sondern ob es sich eine Gesellschaft leisten kann, uns so leicht davon kommen zu lassen. (DonBib/ultrà biblioteka)

Einen Ort hätte ich gern die Welt zu besuchen. […] Ein Ort, wo ich herausfinden kann, was in dieser Stadt, dieser Region zu finden ist, was läuft, wer spielt, wer singt, wer tanzt, wer schreibt, wer malt.[…] Nein, keine Touristeninformation, sondern Einwohnerinformation. Eine Art Litfaßsäule 5.0. (Mikel Bower)

„Libraries are local. – Bibliotheken sind vor Ort.“ Jede muss ihr Angebot an die individuellen Bedingungen und an die Bedürfnisse der Gesellschaft vor Ort anpassen. (Anja Flicker/Blog der Stadtbücherei Würzburg)

 

3. Seid vielfältig.

Bibliothekarinnen und Bibliothekare von heute sind oft genervt von dem Pssst-Image, das vielen Bibliotheken auch weiterhin anhaftet. Bibliotheken seien doch längst keine Orte der Ruhe mehr heißt es dann. Insofern fand ich es überraschend, dass gleich zwei Beiträge zur Blogparade – der Text von Stephan Schwering und der Text von Tobias Schwarz – darauf hinweisen, dass es ein Sowohl-als-Auch geben müsse, also: eine Vielfalt von (am besten: flexiblen) Räumen für die unterschiedlichsten Nutzungszwecke. Schwarz nimmt die Delfter Universitätsbibliothek zum Ausgangspunkt, um neben der räumlichen Vielfalt auch und gerade die gesellschaftliche ins Blickfeld zu rücken. In Bibliotheken, schreibt er, könne „die Anerkennung des Gegenübers als Teil der gleichen Öffentlichkeit“ stattfinden. Er schließt mit der Metapher des Browsers, der für jede/n einzelne/n Nutzer/in eben jenen vielfältigen Möglichkeitsraum biete.

Die Bibliothek der Zukunft ist für uns ein sehr lebendiger Ort, wo Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen willkommen sind und Raum für ihre Bedürfnisse finden. Raum zur Kommunikation, Raum zum Lernen und Arbeiten in Gruppen, Raum zum Musizieren und Kreativsein – aber auch Raum zur Kontemplation. Eine klare Definition von verschiedenen Bereichen in einer Bibliothek erscheint uns wichtig. (Stephan Schwering/Blog der Stadtbüchereien Düsseldorf)

Wie die Stadt als solche besitzen öffentliche Bibliotheken die Fähigkeit ein Höchstmaß an Vielfalt und Verschiedenartigkeit so zu verdichten, dass gleichzeitig ein gesellschaftlicher und ein individueller Mehrwert entstehen kann. (Anke Buettner/Blog der Münchner Stadtbibliothek)

Der Browser ermöglicht mir, nahezu alles zu machen, was ich möchte. Sei es zu arbeiten, mit Freunden zu kommunizieren, mich zu bilden oder einfach auch nur unterhalten zu werden. Ähnlich bedeutend kann und muss der öffentliche Raum Bibliothek für unsere Gesellschaft werden bzw. einfach auch bleiben. (Tobias Schwarz/Isarmatrose)

Damit die Menschen sich verstehen und respektieren können, müssen sie sich treffen. Ihre Filterblasen verlassen. Und zwar in echt. Einer dieser (städtischen) Treffpunkte kann und muss die öffentliche Bibliothek sein. (Heiko Bielinski)

Auch finde ich es gut, wenn eine Bibliothek Gegenstände wie Tiptoi-Stifte, E-Book-Reader, Tablets verleiht, um Mediennutzung für verschiedene Menschen möglich zu machen. (Melanie-Katharina/Melone meets Minze)

Die Räume der Bibliothek sollten für die (neuen) Bedürfnisse der Nutzer flexibler gestaltet werden“ (Tanja Leuthe/Blog der Internationalen Jugendbibliothek)

 

4. Öffnet euch. Und zwar in jedem Sinne.

Zweifellos das Hauptthema der Blogparade. Insofern lasse ich die Autorinnen und Autoren selbst zu Wort kommen.

– Stellt eure Daten offen zur Verfügung und nutzt offene Daten (keine Mehrfacharbeit)
– Präsentiert offen die Strukturen und Prozesse der Bibliothek (keine Imagepflege)
– Schafft nicht nur Mitmachräume in der Bibliothek, sondern schafft Räume für die Teilhabe an der Bibliothek (keine Angst vor Diskussionen) (DonBib/ultrà biblioteka)

Eine Bibliothek für ALLE, ist für mich eine offene und durchlässige Bibliothek. Und zwar an mehreren Punkten:
1. Öffnungszeiten
2. Offene Räume ([…]
3. Offene Daten und Schnittstellen […]
4. Offene Prozesse […]
5. Offene Mitarbeiter […]
6. Offen für externes Know-How […] (Heiko Bielinski)

Öffentliche Bibliotheken sind öffentlicher Raum, den alle gleichermaßen besitzen und der schon deshalb politisch aufgeladen ist. (Anke Buettner/Blog der Münchner Stadtbibliothek)

Bibliotheken können Coworking Spaces werden, sie müssen es aber nicht. Wichtig ist, dass sie öffentliche Räume sind. (Tobias Schwarz/Isarmatrose)

Die ideale Bibliothek ist barrierefrei zu erreichen. Auch in der Bibliothek sollte es so wenig Stufen wie möglich geben. Allein schon um mit dem Bücherwagen überall hinzukommen, sollte auf Stufen verzichtet werden. Dazu hat die Bibliothek ansprechende Möbel und Verweilmöglichkeiten. Viele Menschen gehen nicht nur in die Bibliothek um Medien auszuleihen, sondern auch um Zeit in der Bibliothek zu verbringen. (Melanie-Katharina/Melone meets Minze)

Die ideale Bibliothek hat ideale Öffnungszeiten. Für uns als Familie wären Sonntagsöffnungszeiten ein Traum. Das wird es wohl auch bleiben. (Melanie-Katharina/Melone meets Minze)

Die Bibliothek gehört den Nutzern und den Bürgern, und dieses Bewusstsein sollte durch Beteiligung und Partizipationsprozesse gestärkt werden; auch und gerade mit Kindern und Jugendlichen. (Tanja Leuthe/Blog der Internationalen Jugendbibliothek)

 

Unser Dank gilt allen, die sich – digital oder vor Ort, schreibend oder lesend – am Nachdenken über die Zukunft der Bibliotheken beteiligt haben.



Kommentar zu “Blogparade Public! Eine Zusammenfassung in vier Geboten

  1. Schöne Review der Blogparade und eine super Übersicht über die wichtigsten Themen mit denen sich eine zeitgemäße Bibliothek beschäftigen sollte. Danke dafür! Ich kann dem Ganzen nur voll zustimmen.

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