„Follow the Horses“ von Gabriele Kärcher (Fotoband)
Es ist die Reise einer engagierten Träumerin: Gabriele Kärcher, Fotojournalistin und Pferdefreundin, verkauft ihren Schwarzwaldhof und macht sich auf zu indigenen Völkern, wilden Landschaften und bunten Reiterfesten. Ihr Buch öffnet uns den Blick, wie Pferderassen Spiegelbilder ihrer jeweiligen Kultur sind, aber auch umgekehrt: wie inhärent Pferde zum Selbstverständnis einer Kultur gehören, nicht zuletzt zu ihrem Ausdruck von Lebensfreude.
Magische Orte
Unmittelbar fällt auf, wie liebevoll das Buch gestaltet ist. Jedem Land wird ein „Willkommen!“ in der jeweiligen Sprache vorangestellt; die Überschriften sind stimmungsvoll, teilweise witzig. Es finden sich kleine Zeichnungen, landestypische Sprichwörter, jedes Kapitel schließt mit „Mein magischer Ort“.
Klassische Pferdeländer wie Spanien, USA und Marokko sind ebenso darunter wie die „Außenseiter“ Chile, Neuseeland und Indien. Vorgestellt werden diese in kurzen Kapiteln in einer Einheit aus Fotos und den in Tagebuchform abgefassten Texten.
Als Pferde- und Naturfreundin geht mir das Herz auf: Zarte Schimmelchen in den nebeligen Welsh Mountains, das Australian Stockhorse, „sympathisch, praktisch, gut“, Kaimanawas – Wildpferde in den gleichnamigen Bergen Neuseelands, die berühmten P.R.E-Hengste oder ein besonderes Exemplar eines mongolischen Pferdes, ein rotbraunes Urtier mit dichter langer Mähne.
Die Menschen öffnen sich
Ihre Aufnahmen sind keine Starfotos à la Boiselle. Es gibt wenig Spektakuläres, die Formate sind häufig klein. Die Farben wirken insgesamt gedeckt, die Bildsprache ist nicht auf Kontraste angelegt. Pferd und Mensch sind harmonisch in die Landschaft eingebettet. Man spürt, dass sie sich Zeit gelassen hat, die Menschen in ihrem jeweiligen Alltag zu beobachten, diesen mit ihnen zu teilen und daraus ihre Fotomotive zu wählen. Besondere Qualität haben ihre Einzel- und Gruppenporträts: Die Menschen öffnen sich ihr. Die Freude an den Pferden, am Reiten, Konzentration und Stolz, Sanftmut und innige Zuneigung spiegeln sich auf den Gesichtern wider. Wir lernen die unterschiedlichsten Menschen kennen: den australischen Pferdetrainer-Entertainer Tom Curtain, den mongolischen Jungen Javkhaa bei seinem ersten Naadam-Fest oder Ewan Cameron Ormiston, „Urgestein wie seine Highlandponys“; Idealisten wie den schwarzen Pferdeflüsterer Enos Mafokate oder die Maori-Familie Taylor, die mit Hilfe von Pferden Orte der Hoffnung schaffen.
Zuweilen bricht sie hartnäckige Vorurteile auf, darunter für mich am überraschendsten, die im Rodeosport angesiedelte Calgary Stampede Ranch, auf der die Pferde schonend ausgebildet werden und ein artgerechtes Leben führen dürfen.
Apropos Haltung und Umgang – an manchen Stellen finde ich sie zu unkritisch. Um zwei markante Beispiele herauszugreifen: Im Widerspruch zu ihrer eigenen Aussage, dass die artgerechte Weidehaltung für Pferde entscheidend sei, findet sie besänftigende Worte für die in Marokko gängige Praxis, Hengste vor dem Haus anzupflocken; ihre Informationen zum Thema Mustang-Management in den USA geben ein falsches Bild: Ja, es leben an die 60.000 Mustangs in freier Wildbahn – aber 47.000 weitere in Auffangstationen, von denen gerade einmal 2.000 jedes Jahr im Rahmen des Adoptionsverfahrens vermittelt werden. So viel zu: „Von Zeit zu Zeit werden überzählige Mustangs eingefangen und an geprüfte Interessenten vermittelt.“
Am Ende meiner Reise durch dieses Buch bin ich voll der Bilder und Eindrücke. Am liebsten gleich den Koffer packen und los: zu der chilenischen Insel Chiloé, wo die Wildpferde sich am Strand tummeln – oder doch lieber nach Montana, um als Gast von Larry Falls Down indianische Kultur und den Cowboy Way of Life zu erleben? Oder…
PS.: Ein Interview mit Gabriele Kärcher findet sich in der Zeitschrift „Mein Pferd“, Juni 2017, S. 76 ff.
Gabriele Kärcher: Follow The Horses. Die Magie einer besonderen Weltreise. Evipo Verlag, 160 Seiten.