Vier Fragen an …
… Gesa Ziemer

Lesungen, Konzerte, Ausstellungen und vieles mehr: Unser Veranstaltungsprogramm ist umfangreich und vielfältig, gleichsam täglich könnt ihr neue Menschen und Ideen entdecken. Damit ihr unsere Gäste ein bisschen besser kennenlernen könnt, stellen wir sie hier im Blog mit unserem Fragebogen vor. Heute: die Kulturtheorie-Professorin Gesa Ziemer aus Hamburg.

1. Bitte stellen Sie sich kurz vor.

Ich bin Forscherin und beschäftige mich mit dem Thema Stadt. Meine Professur für Kulturtheorie ist an der HafenCity Universität für interdisziplinäre Metropolenforschung angesiedelt. Mein Arbeitsschwerpunkt ist u.a. die Digitalisierung der Stadt. Wie verändert sich die Steuerung der Stadt und unser Verhalten durch das Sammeln, die Einsatz und den Gebrauch von Daten? Und ich beschäftige mich mit dem Wert und der Qualität von öffentlichen Raum in Bezug auf Stadtentwicklung. Mit Hilke Berger habe ich gerade ein Buch herausgegeben: „New Stakeholders of Urban Change. A Question of Culture and Attitude“ (Jovis). Darin wird die Frage diskutiert, inwieweit auch künstlerische und kulturelle Projekte die Stadt mit gestalten. Bibliotheken sind auch Orte der Öffentlichkeit und wichtige Ankerpunkte in einer lebendigen Stadt.

Foto: Benno Tobler

2. Können Sie uns ein Buch empfehlen?

„Pluriversum“ von Alexander Kluge (Leipzig, 2017, Onlinekatalog). Darin steht ein interessanter Satz zum Thema Öffentlichkeit: „Erfahrungen macht jeder Mensch. Er wird ihnen aber nur vertrauen, wenn es Orte und Gewohnheiten gibt, an denen er sich mit anderen austauscht.“ (S. 45). Dieser Satz ist ein schöner Auftakt für die Public!-Konferenz im Februar und die Rolle der Bibliotheken als Orte der Öffentlichkeit in einer Stadt.

3. Was verbinden Sie mit Bibliotheken?

Als Vizepräsidentin Forschung unserer Uni bin ich auch für die Bibliothek zuständig. Bibliotheken sollten Orten der Begegnung für Studierende, Lehrende, Forschende und eine interessierte Öffentlichkeit sein. Es geht nicht nur darum, Medien auszuleihen und kompetente Beratung zu erhalten, sondern auch um den Spirit des Ortes. Ich glaube, dass die Erinnerung an Studienjahre oft gekoppelt ist an die Erinnerung an Lernorte. Die Räume, Gerüche und Ordnungsmuster in Bibliotheken sind darin ganz zentral. Wir müssen darauf achten, dass Bibliotheken solche Orte der Begegnungen bleiben und nicht gänzlich zum virtuellen Raum werden. Denn die Digitalisierung von Bibliotheken ist weit vorangeschritten, und ich habe neue Architektur von Bibliotheken gesehen, in denen kaum noch Bücher stehen, sondern vor allem Laptops. Auch darüber kann man sich begegnen, aber anders als über materiell vorhandene Bücherordnungen.

4. Und wie geht es mit der Welt weiter?

Der Mensch wird in Relation zu digitalen Regulationssystemen immer unwichtiger. Daten werden uns mehr und mehr steuern. Menschen werden sich dagegen wehren und versuchen, so etwas wie Humanismus in der Digitalisierung aufrecht zu erhalten. Ich denke, dass nur noch eine kleine Elite ein wenig verstehen wird, wie diese Datensteuerungen funktionieren. Ob die Qualität von Entscheidungen dadurch besser wird und sich unsere Lebensqualität erhalten, lässt weiß ich nicht. Bücher werden nicht verschwinden, aber wir werden durch digitale Gewohnheiten anders lesen, und unser Leseverhalten wird gesteuert werden. Wir werden das nicht verhindern können, aber vielleicht trotzdem ein Bewusstsein für digitale Steuerungmechanismen ausbilden. Lehren heißt vielleicht heute nicht mehr aufzuklären (wer kann das noch?), sondern Bewusstsein zu bilden? Man kann nun lange darüber sprechen, was der Unterschied ist.

Gesa Ziemer ist am 21. und 22. Februar zu Gast in der Münchner Stadtbibliothek. Auf der Konferenz „Public! Debatten über Öffnung und Demokratie“ hält sie einen Vortrag über „New Stakeholders of Urban Change“.

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