Reading Challenge im Mai
Alle Jahre im Mai feiert Europa sich selbst. Doch was geschieht an dessen Grenzen? Ein Land, das genau zwischen Europa und Asien liegt und das uns gleichzeitig sehr nah und sehr fern erscheint, ist die Türkei. Wir lesen türkische Literatur, um eine Ahnung von diesem Land zu bekommen.
Her mayıs ayında Avrupa kendi kendini kutluyor. Fakat Avrupa sınırlarında neler yaşanıyor? Tam Avrupa ile Asya arasında bulunan ve bize hem çok yakın hem de çok uzak görünen bir ülke olan Türkiye‘yi daha iyi anlayabilmek için Türk edebiyatını okuyoruz.
(Ein Klick aufs Cover führt euch in unseren Online-Katalog. Wegen der zeitweisen Schließung unserer Bibliotheken können aktuell nur digitale Medien ausgeliehen werden.)
Elif Shafak: Der Bastard von Istanbul
Ich sage nur: Shafak, Shafak, Shafak – eine meiner Lieblingsautorinnen und meiner Meinung nach der beste Weg, die Türkei literarisch kennen und lieben zu lernen. Nur welche Bücher empfehle ich jetzt? Eigentlich muss man sie alle lesen 😉
Pflicht ist natürlich „Der Bastard von Istanbul“. Elif Shafak verwebt hier Familiengeschichte mit der Schuld der Türkei am Völkermord der Armenier. Hierfür wurde sie der „Herabsetzung des Türkentums“ angeklagt. Ich finde sie zeichnet einfach spannende Charaktere und gibt ihnen interessante und nachvollziehbare Gedanken und Entwicklungen mit.
BIRGIT / STADTBIBLIOTHEK AM GASTEIG
Elif Shafak: Die vierzig Geheimnisse der Liebe
Einen anderen historischen Zusammenhang stellt die Autorin in „Die vierzig Geheimnisse der Liebe“ her. Hier taucht eine Amerikanerin in die Welt von Rumi und Schams-e Tabrizi ein und lernt eine besondere Form des Islam kennen, den Sufismus. Man kann sich als Leserin dieser Faszination des Mystischen nicht entziehen und möchte eigentlich sofort losziehen, um Derwischen beim Tanz zuzusehen.
BIRGIT / STADTBIBLIOTHEK AM GASTEIG
Hakan Günday: Flucht
„Wäre mein Vater kein Mörder gewesen, hätte ich nie das Licht der Welt erblickt.“ – das ist der erste Satz im Buch. Obwohl dieser keine positiven Gefühle in mir hervorbringt, konnte ich das Buch aus Neugier nicht mehr aus der Hand legen. Man begleitet das Leben des 9-jährigen Gaza. Sein Vater ist ein Schlepper, das bedeutet ein Menschenhändler, weshalb Menschen für den kleinen Jungen nie mehr als eine Art „Ware“ sind, mit denen sein Vater den Lebensunterhalt bezahlt. Als dieser eines Tages stirbt, weiß Gaza nicht mehr, was er tun soll. Schließlich entscheidet er sich, nach Istanbul zu flüchten und ein Studium in Anthropologie zu beginnen. Doch seiner traumatisierten Vergangenheit kann er nicht so leicht entkommen.
Das Buch ist definitiv keine leichte Kost und auch ich musste mich hin und wieder ablenken, um die Geschichte zu verdauen. Schlussendlich finde ich, dass „Flucht“ eine packende und spannende Lektüre ist, die einen zum Nachdenken anregt.
MOUSFIRAT / STADTBIBLIOTHEK WESTEND
Orhan Pamuk: Schnee
Der Protagonist des Romans, „Ka“, ist ein türkischer Journalist, der lange im Westen gelebt hat. Er kommt in die abgelegene Provinzstadt Kars, um für eine überregionale Zeitung von einem Skandal zu berichten: einer Selbstmordwelle unter jungen Frauen, die lieber in den Tod gingen, als sich dem staatlichen Kopftuchverbot an Universitäten zu beugen. Ka beginnt, in seiner ehemaligen Heimatstadt zu recherchieren, und schon bald überschlagen sich die Ereignisse auf fast groteske Weise: Er erlebt ein von kemalistischer Propaganda durchglühtes Theaterstück, den islamistisch motivierten Mord an einem Universitätsdirektor, mal eben einen Putsch des örtlichen Militärs, ein bisschen Folter und die Lokalzeitung, die heute schon die Ereignisse von morgen kennt (Orwell lässt grüßen) … und dann ist da noch Kas ganz persönliches Liebesdrama mit der schönen Ipek.
Bei alldem erweist sich Kars als ein Mikrokosmos, der beispielhaft für das ganze Land steht. Da sind die Kemalisten, die säkularen und oft nationalistischen Staatsvertreter mit dem Militär an ihrer Seite, eine frustrierte Linke, die sich auf die Seite unterdrückter Bevölkerungsgruppen wie der Kurden oder Armenier schlägt – und ein neuer Feind, der die alten Gegner in seltsame Bündnisse zwingt: fundamentalistisch religiöse und islamistische Kreise, die am Fundament des laizistischen Staates rütteln; und es gibt, wie überall, natürlich auch die Opportunisten und die von ihren ganz persönlichen Interessen und Gefühlen Getriebenen.
„Schnee“ ist kein im engeren Sinn realistischer Roman, der zur Identifikation einlädt, sondern eine Art Parabel, eine böse, scharfe Satire, bei der mir das Lachen immer mal im Hals stecken blieb.
Eines meiner Lieblingszitate:„Sie [Ka und Ipek] sprachen über die Sonderabteilung im Museum über die Armenier-Massaker (angeblich glaubten manche Touristen zunächst, es gehe dabei um Armenier, die von Türken abgeschlachtet worden waren, ehe sie mit dem Gegenteil konfrontiert wurden) …“2005 erschien die deutsche Ausgabe von „Schnee“; im gleichen Jahr wurde Orhan Pamuk der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen, ein Jahr später der Nobelpreis für Literatur. Seine hellsichtige Analyse der Hintergründe nationalistischer und islamistischer Tendenzen in der Türkei, seine Warnung vor einer Spaltung des Landes hat seither leider nichts von ihrer Aktualität verloren
STEFANIE / STADTBIBLIOTHEK LAIM
Orhan Pamuk: Rot ist mein Name
Ein farbenreicher Roman von Nobelpreisträger Orhan Pamuk – vielseitig wie die Märchen aus Tausendundeiner Nacht, zahlreiche Perspektivenwechsel erfordern ein wenig Konzentration, aber es lohnt sich. Ein Kaleidoskop bunter Bilder öffnet sich: historische Buchmalerei, Intrigen, Krimi und Liebesgeschichte – und lässt einen so schnell nicht mehr los – orientalisch bunt und spannend !
HELGA / STADTBIBLIOTHEK AM GASTEIG, MUSIKBIBLIOTHEK
Orhan Pamuk: Istanbul – Erinnerungen und Bilder aus einer Stadt
Verfallene Monumente, verwunschene Villen und verwilderte Gärten, melancholische Gassen und belebte Wasserstraßen. Seit der ersten Minute ist er Istanbul verfallen, das sagt Autor Orhan Pamuk über seine Heimatstadt. Als Kind an der Hand seiner Mutter, später im Ford seines Onkels und dann auf eigene Faust durchstreift er die Stadt.
Orhan Pamuks Istanbul ist nicht die große Metropole mit den fast 15 Millionen Bewohnern von heute, sondern das Istanbul der 60er- und 70er-Jahre mit nur knapp einer Million Einwohnern. Das Buch liest sich wie eine Liebeserklärung an die Geburtsstadt von Orhan Pamuk.
Er beschreibt Istanbul als eine traurige Stadt, die in Melancholie über ihren einstigen Glanz und späteren Niedergang durchtränkt ist. Er vergleicht den Verfall der Stadt mit dem Verfall seiner Familie in Kindheitstagen. Daneben beschreibt er aber auch die Spannung zwischen ehemaligen osmanischen Reich und der Versuchung der Verwestlichung.
AMALIE / STADTBIBLIOTHEK AM GASTEIG
2018 machten sich die Herausgeber dieser CD auf den Weg durch Istanbul, um die musikalische Klanglandschaft der Stadt einzufangen: Folksongs, Improvisationen, Instrumentalstücke reihen sich aneinander. Traditionelle türkische Instrumente sind ebenso vielseitig wie die Musik: traditionelle türkische Instrumente wie Ney, Bağlama, Kanun sind dabei, ‚klassische‘ Instrumente wie Klarinette, Cello und Akkordeon runden das Klangbild ab und Gesang darf natürlich auch nicht fehlen. Eine schöne atmosphärische CD, die mir eine Klangreise in eine andere Welt bescherte.
HELGA / STADTBIBLIOTHEK AM GASTEIG, MUSIKBIBLIOTHEK
Tuğba Doğan: Nefaset Lokantası
“Yokluk çok güçlü bir şeydir Salih, ondan ne nefasetler doğabileceğine insan hayret eder.”
Sosyoloji ve edebiyat eğitimi alan genç yazar Tuğba Doğan’ın kitabı “Nefaset Lokantası”, yeni kuşak Türk edebiyatında güzel, keyifli ve lezzetli 🙂 bir sayfa açıyor. Kitap, içinde yaşadığı topluma yabancılaşmış ve bu yüzden sürekli gitme fikriyle dolu baş karakter Salih özelinde döneme dair bir panorama sunuyor. Yer yer hayatı sorgulayan felsefi bir anlatıma sahip kitapta, sosyolojik betimlemeler, olay ve karakter analizleri müthiş. Bu cümleden dolayı, ağır ve anlaşılmaz bir kitapmış gibi algılanmasın. Aksine, çok katmanlı, derinlikli bir roman olmasına rağmen, hayatın içinden, günlük, anlaşılır ve son derece akıcı bir dille yazılmış.
NIGAR / TÜRKISCHER BUCHCLUB, STADTBIBLIOTHEK GIESING
Yazar, hikâye örgüsünü bir yapboz gibi işlemiş. Sayfalar ilerledikçe resmin bir parçasını tamamlıyorsunuz. Bulduğunuz her yeni parça, bir sonraki için merak uyandırıyor. Özellikle kentli kuşağın kendinden pek çok şey bulacağını tahmin ettiğimiz kitap, büyük olasılıkla bir günde bitirebileceğiniz uzunlukta. Ancak tadı çok uzun süre ağzınızda kalacak.
“Die Entbehrung ist etwas sehr Gewaltiges Salih, man kann sich nicht vorstellen was für Tugenden daraus entstehen können.”
Die junge Autorin Tuğba Doğan studierte Soziologie und Literatur. Ihr Werk, ‘Nefaset Lokantası’ zeigt uns eine frische und anregende Seite der neueren Generation der türkischen Literatur. Das Buch handelt von Salih, seiner Entfremdung von der Gesellschaft, in der er lebt, und seinen Plänen dieser zu entkommen. Gleichzeitig legt es dabei ein Panorama unserer Gegenwart dar. Stellenweise wird das Leben auf philosophische Art hinterfragt, mithilfe soziologischer Schilderungen, aber auch großartiger Situations- und Charakteranalyse. Aber wir möchten nach dieser Feststellung nicht den Eindruck erwecken, das Buch sei schwer verständlich und nicht leicht zu lesen. Ganz im Gegenteil; obwohl es ein vielschichtiger und tiefgründiger Roman ist, verfügt er über eine aus dem Alltag erzählende, leicht verständliche und fließende Sprache.
NIGAR (ÜBERSETZUNG: İLKNUR) / TÜRKISCHER BUCHCLUB, STADTBIBLIOTHEK GIESING
Die Autorin hat die Geschichte gleichsam in einer Puzzle-Struktur verfasst. Jede weitere Seite ergänzt ein Teil, welches das Bild vervollständigen soll. Das neu entdeckte Teil wiederum erweckt die Neugier für das nachfolgende. Wir vermuten, dass die Thematik viele Stadtmenschen ansprechen wird. Die Wahrscheinlichkeit es an einem Tag fertigzulesen ist hoch, doch der Nachgeschmack wird über längere Zeit erhalten bleiben.
Hasan Ali Toptaş: Beni Kör Kuyularda
„Sadece Hasan Ali Toptaş okumak için bile Türkçe öğrenmeye değer.“
Stefan Weidner, Frankfurter Allgemeine ZeitungOna “Doğunun Kafka’sı” diyorlar, ama o buna itiraz ediyor: “Yeryüzüne bir Kafka yeter; ikinci bir Kafka’ya hiç gerek yok.” Edebiyatın farklı alanlarında (roman, öykü, deneme, çocuk romanı) pek çok eser veren Hasan Ali Toptaş, postmodern edebiyatın önemli temsilcilerinden biri olarak kabul ediliyor. Yazar, metinlerini çoğunlukla büyülü gerçekçi tarzda yazıyor ve dili kullanmadaki ustalığıyla tanınıyor.
Son romanı “Beni Kör Kuyularda”, köyden kente göçmüş ve tutunmaya çalışan bir ailenin kızı olan Güldiyar’ın başına gelen bir olaydan dolayı yaşadığı süreci ve bu süreçte toplumun takındığı tavrı anlatıyor. Güldiyar, başına gelen şeyin etkisiyle ağlıyor, ağladıkça gözlerinden taşlar dökülüyor. Çevresi ve giderek tüm toplum, onun neden ağladığıyla değil, dökülen taşlarla ilgileniyor. Yazar toplumdaki yozlaşmayı, duyarsızlaşmayı, seyir merakını öyle güzel ve ilginç metaforlar kullanarak anlatıyor ki gerçeklikle fantezinin arasındaki sınır neredeyse ortadan kalkıyor. Beni Kör Kuyularda, “otorite/güç, görev/yetki ve çıkar” gibi kavramların “vicdan, insaf, merhamet ve adalet” terazisinde tartıldığı yalın, ama bir o kadar da şiirsel bir metin.
Yazarın bir önceki romanı “Kuşlar Yasına Gider”i de kütüphanemizde bulabilir ve dil ustası Hasan Ali Toptaş’la Türkçenin tadına varabilirsiniz.
NIGAR / TÜRKISCHER BUCHCLUB, STADTBIBLIOTHEK GIESING
„Allein für Hasan Ali Toptaş würde es sich lohnen, Türkisch zu lernen.“
Stefan Weidner, Frankfurter Allgemeine ZeitungSie nennen ihn ‘den Kafka des Ostens’, wogegen er sich wehrt: “Die Menschheit hat bereits einen Kafka; sie braucht keinen zweiten.” Hasan Ali Toptaş hat sich mit zahlreichen Werken bereits in verschiedenen Literaturgattungen (Romane, Erzählungen, Essays, Kinder- und Jugendliteratur) bewährt und zählt zu den bedeutendsten Vertretern der postmodernen Literatur. Der Schriftsteller verfasst seine Texte in einer Art magischer Realistik und ist als Meister seiner Sprache bekannt.
In seinem letzten Roman ‘Beni Kör Kuyularda‘ erzählt er von Güldiyar, die mit ihrer Familie aus dem Dorf in die Stadt zieht und dort zu überleben versucht. Auch erzählt er von einem Ereignis, das Güldiyar widerfährt, dessen Folgen und dem Verhalten der Gesellschaft ihr gegenüber. Die Nachwirkungen dieses Ereignisses bringen Güldiyar zum Weinen. Ihr verstärktes Weinen verwandelt ihre Tränen zu Steinen. Ihr Umfeld beschäftigt sich jedoch nicht mit der Ursache ihres Weinens, sondern vielmehr mit den Steinen. Mit blumigen und ausgefallenen Metaphern, die zeitweise die Grenze zwischen Realität und Phantasie unsichtbar werden lassen, will der Schriftsteller auf den Verfall, die Taubheit und die Schaulust der Gesellschaft aufmerksam machen. In ‘Beni Kör Kuyularda‘ werden, in einer simplen wie auch poetischen Art, Begriffe wie ‘Autorität/Macht, Verpflichtung und Nutzen‘ aufgewogen mit Begriffen wie ‘Gewissen, Mitleid, Gnade und Gerechtigkeit‘.
In der Bibliothek kann man auch ‘Kuşlar Yasına Gider’, ein früheres Werk des Schriftstellers Hasan Ali Toptaş, finden und lesen, und damit seinen meisterhaften Umgang mit der türkischen Sprache genießen.
NIGAR (ÜBERSETZUNG: İLKNUR) / TÜRKISCHER BUCHCLUB, STADTBIBLIOTHEK GIESING
Sait Faik Abasıyanık: Son Kuşlar
“Dünya değişiyor dostlarım. Günün birinde gökyüzünde, güz mevsiminde artık esmer lekeler göremeyeceksiniz. Günün birinde yol kenarlarında, toprak anamızın koyu yeşil saçlarını da göremeyeceksiniz. Bizim için değil ama, çocuklar, sizin için kötü olacak. Biz kuşları ve yeşillikleri çok gördük. Sizin için kötü olacak. Benden hikâyesi.”
Sait Faik’e dokunmadan Türkçeden, Türk edebiyatından geçemezsiniz. O, çağdaş Türk hikâyeciliğinin dönüm noktasıdır. Kendinden önceki klasik öykü tekniğini yıkmış, doğayı ve insanları, iyi ve kötü yanlarıyla, yalın, ama şiirsel bir dil kullanarak anlatmıştır. Tamamen kendine özgü bir yazardır. Varlıklı bir ailenin çocuğu olmasına rağmen, hikâyelerinde konu ettiği ameleler, balıkçılar, yoksul çingeneler gibi basit, ama samimi insanların arasında yalın, gösterişsiz bir yaşam sürmüştür.
“Son Kuşlar”, kırk sekiz yıllık ömrünün son yıllarına rastlar. Yazarın bütün kitapları gibi farklı yayınevleri tarafından defalarca basılmıştır. Kitap, dönemine göre güncel on dokuz öykü barındırır. Bunların on altısı, yazarın şu an müze olan evinin de bulunduğu Burgazada’da geçer. Kitaba ismini veren öykü, doğanın yok edilmesine karşı çıkan çevreci bir dille yazılmıştır. “Yazmasam deli olacaktım” dediği “Haritada Bir Nokta” öyküsü de bu kitaptadır. Ada insanlarını, martıları, kırlangıçları bulacağınız öykülerde, değişen dünya ve insanlık karşısında, yazarın bundan önceki kitaplarının aksine umutlu tutumunun sarsılmış olduğunu görürsünüz.
11 Mayıs’ta yaşama veda eden Sait Faik’i, altmış altı yıl sonra, yine bir Mayıs ayında, Münih’te anmak çok sevindirici.
NIGAR / TÜRKISCHER BUCHCLUB, STADTBIBLIOTHEK GIESING
„Die Welt ändert sich meine Lieben. Eines Tages werdet ihr am Himmel, im Herbst keine dunklen Flecken mehr sehen. Eines Tages werdet ihr am Wegrand auch den dunkelgrünen Mantel der Mutter Natur nicht mehr sehen. Nicht für uns, Kinder, für euch wird es schlimm werden. Wir haben die Vögel und die Natur oft gesehen. Für euch wird es schlimm. Hier ist meine Geschichte.“
Man kann nicht über die türkische Sprache und Literatur sprechen ohne Sait Faik zu erwähnen. Er gehört zu den Pionieren, die die türkische Literatur von überkommenen Strukturen befreiten. Indem er die klassische Erzählweise vor seiner Zeit umstürzt, stellt er Natur und Mensch, von ihrer guten und schlechten Seite, in einer simplen und poetischen Sprache dar. Unverwechselbar in seiner Art. Obwohl er in wohlhabenden Verhältnissen aufwächst, lebt er ein bescheidenes und einfaches Leben genauso wie die Charaktere, die er in seinen Geschichten darstellt; die Arbeiter, die Fischer und die armen Zigeuner.
Sein Werk “Son Kuşlar” ist in den letzten Jahren seiner 48-jährigen Lebenszeit entstanden. Es wurde wie viele andere seiner Bücher von verschiedenen Verlagen mehrmals herausgegeben. Das Buch enthält neunzehn gegenwartsnahe Erzählungen. In sechzehn davon ist Burgazada der Schauplatz, wo sich auch das Haus des Schriftstellers befindet, welches inzwischen in ein Museum umgewandelt worden ist. Die Erzählung, die dem Buch ihren Titel verleiht, bedient sich einer ökologischen Sprache und wehrt sich gegen die Zerstörung der Natur. “Hätte ich nicht geschrieben, ich wäre verrückt geworden” lautet der Schlusssatz seiner Erzählung „Ein Punkt auf der Landkarte“, die auch in diesem Buch erscheint. In den Erzählungen begegnet man dem Inselvolk, den Möwen und den Schwalben. Außerdem wird man Zeuge, wie die hoffnungsvolle Haltung des Autors, die man aus seinen früheren Werken kennt, erschüttert ist angesichts einer sich verändernden Welt und Menschheit.
Es freut mich sehr, Sait Faik, dessen Todestag sich am 11. Mai zum sechundsechzigsten Mal jährt, hier in München im Monat Mai gedenken zu können.
NIGAR (ÜBERSETZUNG: İLKNUR) / TÜRKISCHER BUCHCLUB, STADTBIBLIOTHEK GIESING
Ahmet Altan: Ich werde die Welt nie wiedersehen. Texte aus dem Gefängnis.
Ahmet Altan ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller der Türkei, der mit seinen Romanen und Essaybänden Millionenauflagen erreicht hat. Als Journalist hat er sich mit seiner kritischen Berichterstattung und mit seinem Einsatz für die Rechte von Minderheiten einen Namen gemacht. Am 15. Juli 2016, nach dem sogenannten Putschversuch in der Türkei, wurde er unter dem Vorwand, er habe „unterschwellig“ zu dem Putsch aufgerufen, festgenommen. Seitdem ist Ahmet Altan in Haft.
In seinem 2018 erschienen Buch „Ich werde die Welt nie wiedersehen“ hält er die Geschichte seiner Verhaftung und seiner Verurteilung zu lebenslanger Haft, den Gefängnisalltag und seine Gedanken fest. Die Texte offenbaren einen Menschen, der sehr klarsichtig die Unterdrückungsmechanismen eines autoritären Staates durchschaut und der sich trotz aller Hoffnungslosigkeit nicht unterkriegen lässt. Dabei helfen ihm seine vielfältigen Erinnerungen und vor allem seine literarische Vorstellungskraft. Einige der berührendsten Sätze in dem Buch lauten: „Ihr könnt mich ins Gefängnis stecken, doch ihr könnt mich dort nicht festhalten. Weil ich die Zaubermacht besitze, die allen Schriftstellern eigen ist. Ich kann mühelos durch Wände gehen.“
Ahmet Altan erhielt im November 2019 den Geschwister-Scholl-Preis der Landeshauptstadt München und des bayrischen Börsenvereins.
MARGIT / PROGRAMM- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT
Ece Temelkuran: Wenn dein Land nicht mehr dein Land ist oder Sieben Schritte in die Diktatur
Woran liegt es, dass Populisten in immer mehr Ländern auf dem Vormarsch sind? Die türkische Romanautorin und Essayistin Ece Temelkuran, die nach Kritik an der türkischen Regierung im Exil in Zagreb lebt, sucht in ihrem im Original auf Englisch verfassten Buch nach Ursachen und überall wiedererkennbaren Mustern.
„Wenn dein Land nicht mehr dein Land ist“ ist weniger eine nüchterne Analyse, als eine sehr engagierte Auseinandersetzung mit den Entwicklungen in der Gesellschaft und der persönlichen Verantwortung, die wir dafür tragen. Denn sowohl in der Türkei, als auch in Ungarn, Polen, den USA und Großbritannien haben nicht Diktatoren mit Gewalt die Macht übernommen, sondern autoritäre Populisten regieren mit Zustimmung eines großen Teils der Bevölkerung unter Ausschaltung demokratischer Strukturen. Ece Temelkuran, der ich bei einer Lesung in der Monacensia im April 2019 begegnet bin, schärft den Blick für die ersten Anzeichen solcher Entwicklungen, die sie selbst in der Türkei erlebt hat.
Gerade für uns in Deutschland, wo sich derzeit ähnliche Entwicklungen abzeichnen, eine empfehlenswerte Lektüre!
MARGIT / PROGRAMM- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT
Çiğdem Akyol : Erdoğan : die kritische Biographie
Wer sich über Recep Tayyip Erdoğan informieren möchte, sollte sich die von der Journalistin Çiğdem Akyol geschriebene Biografie ansehen. Sie beschreibt seinen Werdegang (bis 2016) gut nachvollziehbar und man beginnt zu verstehen, warum er so handelt wie er handelt, und wie er zu dem wurde bzw. sich auch dazu gemacht hat, wer er heute ist. Man sieht beispielsweise die Türkei-Syrien-Lage mit anderen Augen, wenn man erst von der Verbrüderung und dem anschließenden Bruch mit Assad liest. Zudem versteht es Akyol die Zusammenhänge in der Innenpolitik und der Kurdenfrage verständlich zu erklären.
BIRGIT / STADTBIBLIOTHEK AM GASTEIG
Dagdeviren, Musa: Türkei : das Kochbuch
Neulich habe ich tatsächlich die Fotobücher unserer vergangenen Urlaube alle im Zimmer unseres Sohnes gefunden. Und das, obwohl das Thema Familienurlaub bei unserem Sohn eigentlich durch ist. In Zeiten der begrenzten Reisemöglichkeiten träumen wir uns alle gerne woanders hin.
Auch Hobbys werden gepflegt oder neu entdeckt. Wir kochen und backen plötzlich wieder mehr. Wenn man dann mit dem Kochbuch von Musa Dagdeviren auch noch das eine mit dem anderen verbinden kann, ist es umso schöner! Dieses umfassende Werk lässt einen in Suppen und gefüllten Köstlichkeiten schwelgen. Beim Lesen steigt einem von allen Seiten der Duft von Kreuzkümmel und Pfefferminze in die Nase. Kulturgeschichtliche Kapitel rund um die türkische Küche ergänzen das Kochbuch.
Träumen und Kochen – eine schöne Kombination!
KIRSTEN / STADTBIBLIOTHEK AM GASTEIG
Ich freue mich, dass die türkische Literatur innerhalb der Stadtbücherei diesen festen Platz einnehmen kann. Hoffentlich lesen die vorgestellten Titel nicht nur Türken sondern auch Deutsche, die ihren Horizont erweitern wollen.
Es ist eine super Idee, andere Kulture und Literatur für die kosmopolitische Stadt München Bürgern und Buchliebern bekannt zu machen.Ich gratuliere Münchener Bibliothek Mitarbeitern und freiwillige Unterstützer von Bibliothek.
Nun fehlt Zusammenfassung von Yaşar Kemal’s Bücher im Blog. Ohne Yaşar Kemal, Türkische Kultur und Literatur nicht vollständig.