Reading Challenge im Juli
Sommer, endlich wieder draußen, am liebsten den ganzen Tag! Sonne auf der Haut, der Blick wird weit. Raus aus der engen Wohnung, raus in die Natur. Hier sind eure Lesetipps, die über dieses Lebensgefühl, über den (inneren und den äußeren) freien Himmel erzählen.
(Ein Klick aufs jeweilige Cover führt euch in unseren Onlinekatalog zum Ausleihen oder Vormerken.)
Lotta Lubkoll: Wandern, Glück und lange Ohren
„Wandern, Glück und lange Ohren“ ist zwar kein Roman, sondern ein Reisebericht in Tagebuchform, aber er passt sehr gut zum Thema „Unter freiem Himmel“. Mit einem Esel ins Blaue zu wandern, davon träumte Lotta Lubkoll seit ihrer Kindheit. Als ihr Vater nach kurzer, schwerer Krankheit stirbt, setzt sie ihren Plan kurzerhand in die Tat um: Sie findet in Jonny ihren „Traumesel“ und macht sich mit ihm auf die Reise. Von München aus gen Süden, bis sie nach vielen Etappen, schönen Naturerlebnissen, interessanten Begegnungen und um einige inspirierende Erfahrungen reicher am Mittelmeer in Italien ankommt.
Isabel, Stadtbibliothek Hadern
Mein Lieblingsbuch als Kind war „Pu der Bär“, in dem der Esel „I-Aah“ eine große Rolle spielt. Seitdem bin auch ich begeistert von den grauen Gesellen mit den weichen langen Ohren und habe die detaillierte Reisebeschreibung von Lotta Lubkoll mit Vergnügen gelesen. Ich finde es bewundernswert, wenn Menschen es schaffen, sich einen Lebenstraum auch tatsächlich zu erfüllen und nicht immer nur denken: „Das sollte man mal machen…“
Moira Frank: Nachtschwärmer
Helena ist 17 als sie erfährt, dass sie einen Halbbruder hat. Doch bevor sie Lukas treffen kann, kommt er bei einem Unfall ums Leben. Dieser tragische Moment ist nur der Anfang der Geschichte: Helena fährt von Berlin in die Uckermark, um mehr über Lukas zu erfahren. Und so beginnt der Sommer, der für Helena alles verändert. Ihr Verhältnis zu ihrer Familie, ihre Freundschaften, ihr Selbstbewusstsein und ihre Art zu lieben – bei der Lektüre entfaltet sich ihre Persönlichkeit, subtil und doch kraftvoll, oft sehr berührend. Das alles in einem Setting, das besser nicht zum aktuellen Thema der Reading-Challenge passen könnte: Baden im See, Sterne anschauen, staubige Landstraßen, Hitzegewitter, Nächte im Zelt. So geht Sommer.
Mareike/ Programm und Öffentlichkeitsarbeit
Ewald Arenz: Der große Sommer
Die Begegnung mit Beate auf dem Siebeneinhalber-Brett bei Regen ist für Frieder der Beginn seines Sommers aller Sommer. Er traut sich und springt!
Viola/ Stadtbibliothek Neuhausen
Zum ersten Mal fährt der 16-Jährige nicht mit Eltern und Geschwistern ans Meer, er muss bei den Großeltern bleiben, um auf die Nachprüfung zu lernen. Dabei erfährt er über deren aber auch über seine eigene Lebensgeschichte, was seine Sicht auf seine Familie verändert. Und mit Beate, seiner Schwester und seinem Freund Johann erlebt er in diesem Sommer in Sommernächten im Freibad, verbotenen Baggerfahrten im Steinbruch und auf dem heißen, stillen Friedhof den Abschied von der Kindheit. Er lernt die erste große Liebe und zum ersten Mal Krankheit und Tod kennen, er erfährt, dass eine Schwester seine beste Freundin ist, was die Freundschaft zu Johann alles aushalten muss und dass ihre gemeinsame Sehnsucht nach Brasilien für Beate eine ganz andere Bedeutung hat. Ihre Reise nach Rio bedeutet Aufbruch und Abschied vom großen Sommer.
Edward Arenz blickt in seinem poetischen wir unterhaltsamen manchmal auch nachdenklichen Comig-of-Age-Roman zurück in die achtziger Jahre auf seinen großen Sommer und beim Lesen tut man es ihm nach und findet dabei viele schöne oder traurige Sommererinnerungen an Freibadgeruch, Gewitterstimmung, den Geschmack von
Sommerfrüchten und die erste Sommerliebe. Also beste Sommerlektüre!
Primo Levi: Wann, wenn nicht jetzt
Was hat die Geschichte von zehn Menschen, die sich von 1943 bis 1945 aus einem Partisanengebiet im Westen Russlands 2000 Kilometer bis nach Mailand durchschlagen, mit „freiem Himmel“ zu tun? Der italienische Autor Primo Levi, weltbekannt durch seinen autobiographischen Bericht aus Auschwitz „Ist das ein Mensch?“, hat in seinem einzigen Roman diese jüdische Gruppe von Kämpfer*innen beschrieben, die sich in Partisanengruppen nach und nach finden – und die gemeinsam beschließen, nach Palästina zu gehen. Die Leser*innen erfahren, was sie antreibt, aber auch, wie oft sie misstrauisch betrachtet werden, nicht zuletzt, als sie Deutschland durchqueren.
Klaus/ Programm und Öffentlichkeitsarbeit
Zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion gibt das Buch von Primo Levi die Möglichkeit, nachzuvollziehen, was dieser Vernichtungskrieg tatsächlich bedeutet hat – jenseits von schicksalsschwerer Fernsehdokumentation. Und was dieser Roman mit dem Thema der Reading Challenge zu tun hat? Die zehn Menschen aus Russland, sie werden tatsächlich unter einem freiem Himmel leben können – allerdings unter einem, der im letzten Satz des Textes schon wieder verdunkelt wird: von der Explosion der Atombombe, die über Hiroshima abgeworfen wurde.
H.D. Walden: Ein Stadtmensch im Wald
Ein Stadtmensch flieht vor Corona ins Ruppiner Wald- und Seengebiet. Dort erlebt er einen ganz neuen Kosmos, den Wald und seine Bewohner. Anhand einer Vogelbestimmungs-App lernt er die unterschiedlichen Vögel und deren Charaktere kennen – zuvor sahen Vögel für ihn alle gleich aus – und füttert die verschiedenen Tiere an seiner Hütte.
Karin/ Stadtbibliothek Waldtrudering
Absolut amüsant, wie er in seinem Wood-Office an der Intelligenz eines Waschbären scheitert und dabei auch noch schmerzvolle Erfahrungen macht. Seine Freundin äußert, sie glaube, er müsse wieder mal unter Menschen. „Unter Menschen! Wieso sollte ich unter Menschen wollen, die zwei Meter Abstand zu mir halten und einen zur Schutzmaske umgebauten Kaffeefilter im Gesicht tragen?“ Der Besuch seiner Freundin aus Berlin ist eher störend. Sie redet zu laut und über menschliche Themen, für die er sich nicht interessiert, denn er ist den Lebensrhythmus seiner tierischen Gesellschaft eingetaucht.
Ein amüsantes Buch für Waldmenschen und solche, die es werden wollen, bei dem der Leser ganz nebenbei einiges über Waldtiere erfährt, und das den Wunsch zum Innehalten unter freiem Himmel weckt.
David Foster Wallace: Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich
Leider ist es mir immer noch nicht gelungen, Wallaces Unendlicher Spaß zu Ende zu lesen. Unendlichen Spaß könnt ihr aber auch mit diesem deutlich schlankerem Buch haben, in dem das Blog-Thema „Unter freiem Himmel“ in einer luxuriösen Variante behandelt wird.
Waltraud/ Stadtbibliothek Am Gasteig
Mitte der neunziger Jahre unternimmt Wallace eine Karibik-Kreuzfahrt, gesponsert von einem Ostküsten-Magazin, für das er eine Reisereportage schreiben soll. Auch wenn er „uterines Verwöhntwerden“ entschieden ablehnt, gilt seine Sympathie dem Personal auf der Nadir. Und auch wenn ihm ehrgeizige Tontaubenschützen tierisch auf die Nerven gehen, porträtiert er doch andere Mitreisende wohlwollend. Als Fazit können wir Leser*innen ziehen: Eine Kreuzfahrt ist zu viel. Ein zu viel an Menschen, Dienstleistungen, Unterhaltung – und ja, auch an Wasser. Schrecklich amüsant!