Reading Challenge im August
Großstadtromane, Landschaftsbeschreibungen, Abenteuergeschichten auf den Weltmeeren und Reisebeschreibungen aller Art, dazu Detektiv-Storys, Special Interest-Reiseführer, Anleitungen fürs Geocaching, Rätselbücher … Alles dazu war erlaubt bei den Tipps für diesen Monat. Entdeckt wurden mehrheitlich Titel, die – es ist August – vom Urlaubmachen und vom Weggehen inspiriert sind.
(Ein Klick aufs jeweilige Cover führt euch in unseren Onlinekatalog zum Ausleihen oder Vormerken.)
Max Küng: Fremde Freunde
Der frankophile Jean (laut Personalausweis „Hans“, aber das nur am Rand) und seine Frau Jacqueline sind ein wohlsituiertes Schweizer Ehepaar. Trotzdem haben sie sich mit dem Erwerb des malerischen und kostenaufwendig renovierten Ferienhauses tief in der französischen Provinz finanziell ein wenig überhoben. Und so entsteht der Plan, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden: Man lädt zwei Familien aus dem Bekanntenkreis, die ebenfalls einen gehobenen Lebensstil pflegen, zu einem entspannten Kurzurlaub ein; gemeinsam kochen und das Landleben genießen, die Gegend erkunden … um sie am Ende mit dem geradezu unwiderstehlichen Angebot zu überraschen, sich doch als Miteigentümer an diesem traumhaften Domizil zu beteiligen.
Stefanie/ Stadtbibliothek Laim
Die Ferien erweisen sich aber schon sehr bald als nicht wirklich traumhaft, denn alle Beteiligten verfolgen ihre ganz eigene Agenda, und nicht nur beim Gastgeber-Paar ist nicht alles so wie es scheint. Und dass im Haus immer mehr Unerklärliches und latent Bedrohliches geschieht, macht die Stimmung auch nicht eben entspannter …
Max Küng ist ein Schweizer Schriftsteller und Kolumnist, sein Buch ein vergnüglicher und wunderbar böser kleiner Roman über die schönsten Wochen des Jahres, über die kleinen und nicht ganz so kleinen Lügen des Miteinanders und über den Traum vom Ferienhaus, den man vielleicht am besten … einen Traum bleiben lässt.
Stefan Ulrich: Quattro Stagioni
Wer von uns hat nicht schon mal davon geträumt, länger im Sehnsuchtsland vieler Deutscher – in Italien – zu leben? Stefan Ulrich, damals Auslandskorrespondent der Süddeutschen Zeitung, kann sich diesen Traum erfüllen. Für ein Jahr zieht er gemeinsam mit seiner Familie mitten nach Rom. Ganz so traumhaft wird es dann doch nicht. Humorvoll und charmant beschreibt er seinen Alltag, den Kampf mit den Behörden oder wie wichtig gute Beziehungen zur Hausmeisterfamilie und zu Handwerkern sind. Trotz aller Widrigkeiten stellen sich alle Familienmitglieder nach und nach auf die italienische Lebensart ein.
Tanja/ Stadtbibliothek Fürstenried
Obwohl die Erlebnisse von Stefan Ulrich schon ein paar Jahre her sind, liest es sich immer noch gut und ist von der Handlung her zeitlos. Ein Lieblingsbuch von mir.
Leïla Slimani: Das Land der Anderen
Leïla Slimani zählt zu den Autorinnen, auf deren Neuerscheinungen ich mich grundsätzlich sehr freue. Nach „Dann schlaf auch du“ und „All das zu verlieren“, die beide auf ihre Art extrem waren, liegt jetzt also endlich etwas Neues auf deutsch von der mit dem Prix Goncourt ausgezeichneten Autorin vor: „Das Land der Anderen“. Darin geht es um die junge Elsässerin Mathilde, die sich Ende des Zweiten Weltkriegs in Amine verliebt – einen marokkanischen Offizier der französischen Armee. Sie heiraten und da Amine ein Stückchen kargen Grund in Marokko geerbt hat, ziehen sie 1947 auf diesen abgelegenen Hof. Der steinige Boden gibt nicht viel her, die Ehe erlebt Höhen und Tiefen, die nächste Stadt mit seinem Amüsement ist für Mathilde so weit weg, der Weg zur Schule für die älteste Tochter Aïcha eine tägliche Qual. Rassismus geht sowohl von den Franzosen als auch von den Marokkanern aus.
Birgit/ Stadtbibliothek Neuhausen
„Das Land der Anderen“ ist eine Familiensaga – angelehnt an die Geschichte von Leïla Slimanis Großeltern. Sie gibt Einblicke in die Kolonialgeschichte, in das harte Leben auf dem abgelegenen Grundstück, in die Wünsche und Träume Mathildes, die sehr weit weg sind von der Realität, in die Geschlechterrollen der 50er Jahre. Eine Landschaft „der sie weder Sinn noch Schönheit abgewinnen konnte“ steht hier immer wieder einer Stadt gegenüber, in der ihr ebenfalls alles fremd ist und für die „sie keine Worte hatte“.
Ich habe das Buch sehr schnell und sehr gerne gelesen, meine einzige Kritik ist, dass hier im Vergleich zu den beiden vorhergegangenen Büchern alles ein wenig zu glatt ist. Dennoch freue ich mich auch weiterhin auf Titel von Leïla Slimani.
Matthias Politycki: Das kann uns keiner nehmen
Ja, die Reiseerlebnisse, die wir vor der Pandemie hatten, kann uns keiner nehmen. Weil Afrikareisen immer noch risikobehaftet sind, erinnere ich mich gerne mit Matthias Politicky an seine Reise auf den höchsten Berg Afrikas, den Kilimandscharo. Er reiste Mitte der 90er Jahre nach Tansania, um diesen spektakulären Vulkan zu besteigen und im Krater zu übernachten. Nach der kältesten Nacht seines Lebens lernt er den skurrilen Münchner Tscharlie kennen. Der Bayer, der ihn Sprüche klopfend, die Grenzen rassistischer Vorurteile überschreitend, zunächst abstößt, zeigt dem Ich-Erzähler sein Tansania und stellt ihm seine Freunde vor. Trotz ständiger Hitze, Safari-Tourismus, Holzfeuer und Lehmhütten mit Satellitenschüsseln, ständiger Grenzüberschreitungen zwischen Leben und Tod und viel tansanischer Improvisation, steckt er ihn mit seiner Zuneigung zu Land und Menschen an. Mit dem Landcruiser und dem Motorroller heizen sie übers Land und über die Insel Sansibar. Ohne Tscharlie hätte der Autor aus den Gassen von Stone Town – Sklavenmarkt, Gewürzhandel, Weltkulturerbe und Völker- und Kulturgewirr – nicht mehr herausgefunden. Überall wird er wie ein alter Bekannter begrüßt, trotz seines eigenwilligen Sprachgemischs aus bairisch und Spaßsuaheli wird er verstanden.
Viola/ Stadtbibliothek Neuhausen
Dieses Tansania der 90er gibt es nicht mehr, es gibt keinen Gletscher mehr auf dem Kilimandscharo, nicht mehr diesen Präsidenten, der Opfer der Pandemie wurde, und auch Tscharlie werden wir dort nicht mehr antreffen, aber wir träumen davon dieses Land wieder zu bereisen auch wenn man nie ganz ohne Schrammen wiederkehrt. Lesend kann man sie natürlich vermeiden.
Alex Lépic: Krimireihe um Commissaire Lacroix
Allein schon die Optik dieser Krimireihe ist wunderbar: Handliche gebundene Bücher mit rotem Buchschnitt, da konnte ich nicht widerstehen, ich musste den neuen Krimi „Lacroix und das Sommerhaus in Giverny“ in die Hand nehmen – und hatte mich sofort festgelesen. Der Pariser Commissaire Lacroix, genannt Maigret, ermittelt in Band 4 der Reihe (Neuerscheinung 2021) diesmal auch auf dem Land, in der Normandie. Es ist leichte Krimikost mit viel Lokalkolorit, dennoch spannend und gut geschrieben, wunderbare Urlaubslektüre. Hinter dem Pseudonym Alex Lépic verbirgt sich der Krimiautor Alexander Oetker, der durch seine Aquitaine-Reihe um Commissaire Luc Verlain bereits seine Frankreich-Expertise unter Beweis gestellt hat. Oetker ist der Frankreich-Experte von RTL und n-tv und kennt sich in Paris bestens aus. Nur einen Nachteil haben die Krimis: man sollte sie niemals hungrig lesen!
Helga/ Stadtbibliothek Maxvorstadt
Juli Zeh: Unterleuten
„Unterleuten“ ist ein (fiktives) Dorf ganz im Westen von Brandenburg. Klein und unbedeutend genug für ein intaktes (?) Dorfleben inklusive Dorfkrug und über Generationen sorgsam gepflegter Feindschaften, nah genug an Berlin, um immer mehr Großstädter anzulocken, die sich hier ihren Traum vom Rückzug in ein irgendwie anderes, heiles und ganzheitliches Leben erfüllen wollen.
Stefanie/ Stadtbibliothek Laim
Das ohnehin fragile dörfliche Gleichgewicht gerät endgültig aus den Fugen, als ein westdeutscher Investor hier einen Windpark errichten will – ein Angebot, das für die Besitzer der entsprechenden Grundstücke mehr als lukrativ ist, für andere wie die junge Frau, die auf billige Pachtwiesen für ihren Pferdehof gesetzt hat, das Aus für alle ihre Träume und Hoffnungen bedeuten kann. Und so verfolgt von jetzt an jeder nur noch seine ganz persönliche Agenda, die einen offen und aggressiv, andere eher verhalten, altruistische Motive vorschützend.
Das alles schildert Juli Zeh mit feinem Gespür für die Psychologie ihrer Figuren und einem herrlichen, oft bösen Humor. Dabei ist ihr Blick auf die Menschen nicht eben ein warmer, aber vielleicht habe ich das Buch gerade deshalb mit so großem Vergnügen gelesen.
Es sollte nicht unerwähnt bleiben, wie sehr Juli Zeh uns, ihre Leser*innen, im Zusammenhang mit dem Buch aufs multimediale Glatteis geführt hat. Im Netz fanden (und finden) sich nämlich nicht nur die Homepages von Unterleuten („Wie? Gibt es das Dorf doch!?), dem dortigen Vogelschutzbund und der Windenergiefirma „Vento Direct“; sogar das unsägliche Ratgeber-Pamphlet „Dein Erfolg“, das in der Geschichte eine recht unrühmliche Rolle spielt, kann man bei einem allseits bekannten Versandbuchhändler bestellen … Ein augenzwinkerndes Lehrstück zum hoch aktuellen Thema „Fake News“ also.
Jules Besson: Krimireihe um Monsieur Keller
Mit dem Hausboot auf französischen Kanälen schippern, schöne Landschaften vorbeiziehen lassen und an malerischen Städtchen anlegen: In Verbindung mit spannenden Kriminalfällen beinhalten die Romane „Die Toten von Carcassonne“ und „Mord im Burgund“ von Jules Besson alle Aspekte zum Thema „STADT – LAND – FLUSS“.
Isabel, Stadtbibliothek Hadern
Nach dem Tod seiner Frau verbringt der pensionierte bayerische Kommissar Konrad Keller den größten Teil des Jahres auf einem Hausboot in Frankreich. Als Weinkenner und ambitionierter Hobbykoch genießt er das französische „savoir–vivre“, gerät aber immer wieder ungewollt in mörderische Verwicklungen. Zum Kummer seiner erwachsenen Kinder kann Keller das Ermitteln nicht lassen und kommt so einer ebenso hübschen wie charmanten Kommissarin in die Quere…
Frankreichflair, Kochrezepte im Anhang und ein etwas kauziger, aber sympathischer Protagonist ergeben die perfekte Urlaubslektüre.
Weitere Buchtipps zum Thema in englischer Sprache findet ihr hier auf Overdrive.