Politisch schreiben und politisch lesen –
Buchempfehlungen für junge Leserinnen und Leser

Nachdem in den vergangenen Jahren immer wieder und mit großem Nachdruck die angeblich fortschreitende Politikverdrossenheit junger Menschen beschworen wurde, macht sich in der Kinder- und Jugendliteratur gerade der entgegengesetzte Trend bemerkbar. Politische Themen sind nicht nur präsent: mit ihnen gewinnen junge (und gestandene) Autorinnen und Autoren aktuell auch die wichtigsten Preise.

So erzählt Manja Präkels mit „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ (siehe auch Tipp unten) über gewaltbereite Neo-Nazis in den 1990er Jahren, die in Brandenburg ganze Dörfer unsicher machten – und damit einen Teil der deutsch-deutschen Geschichte. Während sie in der Kategorie „Jugendbuch“ des Deutschen Kinder- und Jugendliteraturpreises prämiert wurde, ist auch das Buch in der Kategorie Sachbuch hochpolitisch. In „Der Dominoeffekt“ erklärt Gianumberto Accinelli die teils verheerenden Auswirkungen des menschlichen Handelns auf die Natur. Womit wir bei Greta Thunberg angekommen sind, die Jugendliche in vielen Ländern dazu inspiriert hat, sich aktiv für den Klimaschutz zu engagieren. Dass Jugendliche ganz selbstverständlich den Blick über die Grenze wagen, zeigt sich auch bei dem Preis der Jugendjury von 2018: Angie Thomas nimmt sich in „The Hate U Give“ dem Thema der systematischen Polizeigewalt gegen Afroamerikaner_innen in den USA an.

Der Blick auf die Neuerscheinungen des vergangenen Jahres macht deutlich, dass Kinder und Jugendliche sich mit aktuellen, politischen Themen befassen und sich durchaus mit der Vergangenheit auseinandersetzen, um ihr Heute in einen größeren Kontext zu stellen. Wenn wir also von politischen Themen im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur sprechen, blicken wir auf ein weites und komplexes Feld, das aktuelle politische Entwicklungen durchaus spiegelt. Neben Büchern, die sich fiktiv oder sachlich den historischen Themen nähern, steht eine Reihe von aktueller Literatur, die sich mit Fragen rund um Fake News, Rassismus, Flucht, Heimat, Klimawandel, Abtreibung oder Vergewaltigung beschäftigen. Dabei haben diese Bücher die Ausgrenzung von queeren Lebensweisen teilweise bereits überwunden. Auch dies ist ein Ausdruck der Beantwortung politischer Fragen mit erfrischender Selbstverständlichkeit.

Hier sind unsere Tipps:

(Ein Klick aufs Cover führt euch in unseren Onlinekatalog zum Ausleihen oder Bestellen)

 

Franziska Gehm und Horst Klein: Hübendrüben. Als deine Eltern noch klein und Deutschland noch zwei waren

Ein tolles Bilderbuch über das geteilte Deutschland. In beiden lebten Kinder mit ihren Familien, und trotz der vielen alltäglichen Unterschiede gab es auch viele kleine Gemeinsamkeiten. Fast wie in einem Wimmelbuch greifen Franziska Gehm und Horst Klein ganz wertfrei die vielen Anknüpfungspunkte auf, mit denen alle etwas anfangen können: die Arbeit der Eltern, die Wohnung oder das Haus der Familie, der Sommerurlaub. Wie war das bei der Einschulung, was aßen die Kinder am liebsten, was spielten sie? Auch die Entstehung der zwei deutschen Länder im Westen und im Osten wird nicht ausgespart. Trotz der vielen kleinen Details entsteht hier ein Blick auf das Wesentliche, der für Kinder und Erwachsene gleichsam spannend ist.

Klett Kinderbuch, 40 Seiten, ab 7 Jahren


Johannes Herwig: Bis die Sterne zittern

Leipzig 1936. Harro schließt sich einer Gruppe Jugendlicher an, die sich dem wachsenden Druck des nationalsozialistischen Regimes, unter anderem und vor allem durch die aggressive Hitlerjugend, nicht beugen wollen. Sie grenzen sich nicht nur durch ihre Kleidung ab, sondern auch durch kleine Aktionen in ihrer Stadt. Johannes Herwig erzählt am Beispiel der Protagonist_innen die Geschichte der Leipziger Meuten, einer widerständischen Jugendbewegung. Dabei kommt der Roman ganz ohne moralischen Druck auf die Lesenden aus. Harro agiert eher aus seinem Gefühl heraus mit seinen Freund_innen das Richtige zu tun, während ihn gleichzeitig Ängste vor den Konsequenzen plagen. Hier werden ganz unaufgeregt und nebenbei die wichtigen Fragen der Geschichte und Gegenwart gestellt.

Gerstenberg Verlag, 256 Seiten, ab 14 Jahren


Alois Prinz: I have a dream. Das Leben des Martin Luther King

Martin Luther King hat sich im letzten Jahrhundert für einen gewaltfreien Kampf für Bürgerrechte der afroamerikanischen Menschen in den USA eingesetzt und konnte vieles bewirken. Gleichzeitig erfuhren sowohl er und seine Mitstreiter_innen sowie die ganze afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung viel Widerstand, der in vielen Fällen gewaltsam verlief.

Wie Martin Luther King zu seinen Überzeugungen kam und was die Bewegung ihm abverlangte, wird von Alois Prinz sehr eindrücklich geschildert.

Gabriel Verlag, 256 Seiten, ab 14 Jahren


Nicky Singer: Davor und Danach. Überleben ist nicht genug

Als gebürtige Schottin hat die 14jährige Mhairi die vergangenen Jahre mit ihren Eltern im Sudan verbracht. Jetzt ist sie allein auf der Flucht nach Schottland. Dem Klimawandel geschuldet versuchen viel zu viele Menschen, den Norden zu erreichen, denn nur dort ist ein Überleben überhaupt noch möglich. Die Folge dieser Migration ist eine totale Abschottung der nördlichen Länder.

Dieses dystopische Setting ist hochaktuell und Mhairi eine besondere Protagonistin, die sich ihren Weg bahnt. Zunächst in eine vermeintliche Sicherheit, zuletzt in ihre eigene Menschlichkeit.

Dressler Verlag, 384 Seiten, ab 14 Jahren


Christine Heppermann: Frag mich, wie es für mich war

Addie geht zur Schule, zum Lauftraining und schreibt Tagebuch. Die Einträge erzählen ihre Geschichte: Gedichte, Dialogfetzen, Songtexten oder kurze Erinnerungen. Addie wird ungewollt schwanger und entscheidet sich mit Unterstützung ihrer Eltern und ihres Freundes für eine Abtreibung. Trotz der Selbstverständlichkeit im Umgang mit einem gesellschaftlichen Tabu verändert diese Entscheidung ihr Leben und ihren Blick auf ihr Umfeld.

 

Beltz, 232 Seiten, aus dem Amerikanischen von Kanut Kirches, ab 14 Jahren


Und ein Tipp von Lisa / Monacensia im Hildebrandhaus:

Manja Präkels: Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß

Wie geht man damit um, wenn sich die Welt um einen herum plötzlich radikal verändert, wenn Schulfreunde sich zu rechtsextremen Prügeltrupps formieren und man selbst plötzlich auf der Seite der Gejagten steht? 2017 hat Manja Präkels im Verbrecher Verlag ihren Roman „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ veröffentlicht. Der Roman erzählt aus der Perspektive der 14-jährigen Mimi, wie das politische Klima in ihrer Heimatstadt in Brandenburg mit dem Mauerfall umschwingt und ihr Kindheitsfreund Oliver zum Neonazi-Anführer mit dem Spitznamen „Hitler“ wird.

Für ihren Roman wurde Manja Präkels mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2018 und dem Anna-Seghers-Preis ausgezeichnet. Auf die Frage wie es mit der Welt weitergeht hat Manja Präkels uns im Blog geantwortet: „Haltung zeigen ist ja zu allen Zeiten wichtig und aktuell wichtiger denn je. Lesen, reden, nachdenken und miteinander ins Gespräch kommen“ – das Buch ist ein wichtiger Beitrag dazu.

Verbrecher, 232 Seiten, ab 16 Jahren


Foto: lucia / Unsplash

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