Ein Ort für die Gegenwart

Nach eineinhalbjähriger Umbauzeit eröffnet die Buchhandlung Hugendubel am 1. August wieder ihre Filiale am Münchner Marienplatz. Vorab erhielten Münchner Bloggerinnen und Blogger im Rahmen einer Preview (an der auch ich teilnehmen durfte) Einblicke in die von Grund auf neu konzipierte Buchhandlung.

Kaum wiederzuerkennen

Fünf Tage vor der Eröffnung wird an einigen Stellen noch gewerkelt.

Welch großes Risiko ein 2.000 Quadratmeter großer Laden voller Ware darstellte, sei ihr als Mädchen überhaupt nicht bewusst gewesen – sie habe sich vor allem für die Rolltreppen interessiert, damals ein echtes technisches Novum! So erinnerte sich im Laufe des Abends die heutige Hugendubel-Chefin Nina Hugendubel an die Eröffnung der Hugendubel-Filiale am Münchner Marienplatz im Jahr 1979.

Knapp 40 Jahre später ist es also wieder so weit: Erneut feiert man die Eröffnung einer Filiale am Marienplatz, und tatsächlich ist das für Hugendubel ein Grund zur Freude, selbst wenn sich die Buchhandlung merklich verkleinern musste. Denn eigentlich sollte die Übernahme des Hauses durch einen Telekommunikationskonzern das Ende der Filiale am Marienplatz bedeuten. Erst der unüberhörbare Einspruch der Münchnerinnen und Münchner, so steht es zu vermuten, hat die alten und die neuen Mieter an den Verhandlungstisch gebracht, mit einigermaßen glücklichem Ende für alle.

Aus den ehemals 3.600 Quadratmeter auf sechs Etagen sind 1.200 Quadratmeter und zwei Etagen geworden, der Eingang liegt nun auf der Seite am Rindermarkt statt nach vorne zum Marienplatz. Und auch ansonsten ist die Buchhandlung kaum wiederzuerkennen, während man sie zugleich sofort als Hugendubel-Filiale identifizieren kann: Statt des bunt gesprenkelten grauen Teppichs bedeckt nun edel anmutendes Holz die Böden (und teilweise auch die Decke); statt der zentralen Leseinseln laden nun einzelne gepolsterte Stühle, Ohrensessel und eine rote Couch (in Erinnerung an die ebenfalls rotledernen Inseln) zum Reinschmökern und Durchblättern ein. Rolltreppen gibt es freilich ebenfalls wieder (wenn auch nur vier Stück), und vor allem sind Teile der Wände mit der längst legendären geschnittenen Fraktur tapeziert, die gefühlt seit immer schon den Look der Buchhandelskette ausmacht.

Begegnung und Dialog

Als Stadtbibliotheksmensch haben mich natürlich vor allem zwei Dinge interessiert, nämlich einerseits das Zusammenspiel von Analogem und Digitalem und andererseits die Programmatik der neuen Räumlichkeiten. Zu Ersterem gibt es gar nicht so viel zu sagen, wie ich vielleicht erwartet hatte: eBooks kann man natürlich auch bei Hugendubel vor Ort kaufen, aber sie werden nicht gesondert präsentiert oder hervorgehoben. Gleich neben den Kassen im ersten Stock ist eine Reihe von Readern ausgestellt, davor ein Tisch (ebenfalls aus Holz), an dem jederzeit Beratung stattfinden kann und auch soll. Die ‚digitalsten‘ und darin sehr dezenten Elemente sind die rund zehn Infoscreens in beiden Stockwerken, auf denen Themen, Buchtipps und Veranstaltungen per Bild oder Video beworben und vielleicht sogar Live-Streams stattfinden werden. Dass man ganz gezielt auf das analoge Erleben setzt, besagt nicht nur das Vorherrschen ’natürlicher‘ Materialien, sondern bedeutet auch der nicht geringe Anteil (v.a. angesichts der deutlich reduzierten Ladenfläche) an so genannten Non-Books, seien das Einhornplüschtiere im Kinderbereich oder Räucherstäbchen in der Lebenshilfe-Abteilung.

Womit wir schon bei der Programmatik wären: Der neuen Hugendubel-Filiale am Marienplatz geht es um Begegnung und um Dialog im realen Raum. Menschen sollen hier vor Ort zusammen und ins Gespräch kommen. Ein weiteres Beispiel dafür – neben der Möblierung und den generell möglichst offen gehaltenen Flächen – ist die Aktion #zeichensetzen: Nicht nur die Buchhändlerinnen und Buchhändler, sondern auch alle Kundinnen und Kunden dürfen sich ein Lesezeichen schnappen, ausfüllen und als persönliche Empfehlung in einem Buch platzieren. Auch wir Bloggerinnen und Blogger haben das an dem Preview-Abend gemacht – hier meine beiden Tipps:

Merkmal des digitalen Zeitalters

Doch zurück zum Thema. Die Rede vom Dialog und von der Begegnung erinnert verblüffend an die Programmatik öffentlicher Bibliotheken dieser Tage. Auch wir verstehen uns ja mehr und mehr als offene Orte des Austauschs, des Zusammenseins, der Gemeinschaft, der Kopräsenz. Dass trotz des durchaus markanten Unterschieds, dass Hugendubel ein kommerzielles Unternehmen und die Münchner Stadtbibliothek eine öffentliche Institution ist, dieser Trend bei beiden auszumachen ist, beweist wohl ein weiteres Mal, dass die Lust an realer Gegenwärtigkeit eines der zentralen Merkmale des digitalen Zeitalters ist.


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