Voll harmlos?

Wann ist ein Spiel altersgerecht? Und wie können sich Eltern selbst ein Bild machen?

Welche Eltern kennen das nicht? Wir erleben das auch regelmäßig in der Bibliothek: Die Kinder wollen ein Videospiel spielen, das eine noch nicht für sie geeignete Altereinstufung hat. Lässt man sein Kind das Spiel unter Aufsicht oder auch alleine spielen? Oder verbietet man es generell und riskiert damit, dass es das Spiel heimlich bei Freunden spielt und sich dann nicht über eventuell überfordernde Spielerlebnisse aussprechen kann? Und wie kann man überhaupt einschätzen, ob das entsprechende Spiel für das eigene Kind geeignet ist, wenn man sich selbst nicht dafür interessiert und damit nicht auskennt?

„Ich will das jetzt nicht selber spielen müssen.“

Erst kürzlich kam eine Mutter zu mir, deren 16-jährige Tochter ein Spiel, das ab 18 ist, aus dem Regal gezogen und unter die Ausleihen der Mutter „geschmuggelt“ hatte. (Ja, auch Mädels stehen auf Action!) Die Tochter wiegelte ab: „Ist voll harmlos, ist nur ab 18, weil da Waffen vorkommen.“ Die Mutter fragte also mich, was in dem Spiel vorkommt und warum es diese USK bekommen hat. Denn: „Ich will das jetzt nicht selber spielen müssen.“

(c) USK

Aber beginnen wir von vorne: mit der USK, der Unterhaltungsoftware Selbstkontrolle. Hier besteht bei manchen (wie auch hinsichtlich der FSK) das Missverständnis, dass die Altersbeschränkung eine freiwillige Empfehlung wäre, etwas zur Selbstkontrolle. Dies ist allerdings mitnichten so. Die Beschränkung ist gesetzliche Vorschrift, an die wir uns als Bibliothek genauso halten müssen. Das heißt: Wenn der/die Ausweisinhaber/in nicht alt genug ist, verweigert das System die Ausleihe.

Der Begriff „Selbstkontrolle“ bezeichnet den Umstand, dass in Deutschland die Industrie dazu verpflichtet wird, eine Eigenkontrolle zu finanzieren. Außerdem ist die USK tatsächlich die einzige Prüfstelle weltweit, bei der jedes Spiel komplett durchgespielt wird. Getestet wird von speziell ausgebildeten Spielerinnen und Spielern, die das Ergebnis ausführlich nach sachlichen und neutralen Gesichtspunkten einem unabhängigen Gremium präsentieren. In diesem Gremium sitzen Expertinnen und Experten aus allen Gesellschaftsschichten, die ausgiebige Erfahrung aus der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen haben. Diese geben eine Empfehlung für die Alterseinstufung, die vom Gesetzgeber angenommen wird oder auch nicht. Also kann man davon ausgehen, dass die USK-Einstufung durchaus Hand und Fuß hat und auch für das eigene Kind eine zuverlässige Richtlinie darstellt.

Was die USK sagt

Nun weiß ich aber, dass mein Kind eine gute Rahmungskompetenz hat, also durchaus zwischen Spiel (oder auch Film) und Realität unterscheiden kann. Auch möchte ich nicht, dass es das Spiel heimlich spielt. Wie kann ich mir dann eine eigene Meinung zu einem Spiel bilden, wenn ich nicht selbst spiele? Ausführliche Begründungen der USK kann man nicht online einsehen, diese können aber von jedem bei der USK abgefragt werden. Die allgemeinen Kriterien können hier nachgelesen werden. Zu dem obengenannten Beispiel wäre die Begründung für ein USK ab 18: „Da diese Spiele nahezu ausschließlich gewalthaltige Spielkonzepte thematisieren und häufig eine düstere und bedrohliche Atmosphäre erzeugen, sind sie ausschließlich für Erwachsene. […] [Zudem finden sich in dem Spiel] Spielfiguren, deren Handeln ethisch-moralischen Anforderungen zuwiderlaufen kann. Die hohe atmosphärische Dichte und Glaubwürdigkeit des Spielgeschehens lässt eine Distanzierung zum Spielgeschehen nur schwer zu.“ „Weil Waffen drin vorkommen“ stimmt hier also schon mal nicht so ganz.

https://youtu.be/OwKwGCrnkn8

Aber um sich wirklich selbst ein Bild von einem Spiel zu machen, kann man sich einfach eines absoluten Trends unter Gamern, der sogenannten „Let’s Plays“ bedienen. Auf Youtube kann man sich unzählige Videos zu nahezu allen Spielen anschauen. Es gibt inzwischen sogar richtige Stars der Szene, die tausende Fans um sich sammeln. Auch eigene Dienste für Livestreaming, in denen per Chat die Zuschauerinnen und Zuschauer mitbestimmen können, welche Entscheidungen die Spielerinnen und Spieler treffen sollen, wie zum Beispiel Twitch oder Mixer, gibt es inzwischen. Das Ganze ist bei vielen Kindern und Jugendlichen schon fast populärer als das Spielen selbst.

Besser vermitteln als verbieten

Daher kann man sich ziemlich sicher sein, dass auch die eigenen Kinder, sofern sie sich für ein Spiel interessieren, zumindest schon einmal gesehen haben, was darin passiert, selbst wenn die USK-Begrenzung weit über ihrem Alter liegt. So erleben wir leider auch immer wieder in Medienkompetenz-Workshops, dass  sogar manche Grundschüler und Grundschülerinnen bereits ausführlich über GTA , Call of Duty und Co. erzählen. Vor diesem Hintergrund ist die Vermittlung von Medienkompetenz immer wichtiger, da man die eigenen Kinder nur schwerlich vor sämtlichen ungeeigneten Medieninhalten abhalten kann. Auch die Rahmungskompetenz von Kindern und Jugendlichen sollte durch ein sicheres soziales Umfeld unterstützt werden. Oder wie es von der USK formuliert wird:

Eine aktive Auseinandersetzung mit der Mediennutzung ihrer Kinder ist Vorausetzung dafür, Problemen im Familienalltag vorzubeugen oder sie zu lösen.

Aber was wurde dann aus unserem Beispiel? Das Mädchen durfte das Spiel spielen. Das Spiel hat ihr nicht gefallen – sie hat es nach einer Woche zurückgegeben. Entscheidend ist eben doch das gesamte Spielkonzept. Vieles wird einfach heißer gekocht, als gegessen wird. Und die Jugend von heute ist nicht selten wesentlich souveräner im Umgang mit Medien, als wir ihnen zutrauen.

USK Elternratgeber

Foto: Glenn Carstens-Peters / Unsplash

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