„Hail Caesar“ – ein Film der Coen-Brothers
Eine Wassermusical in Cinemascope, eine wunderschöne Frau in einem glitzernden Wassernixen-Kostüm tummelt sich inmitten eines brillant choreografierten und fotografierten Wasserballetts.
Cut: die übelgelaunte Wasserballett-Sexbombe (herrlich ordinär: Scarlett Johansson) verkündet grob fluchend, sie könne sich bald nicht mehr in ihr Fischschwanz-Kostüm zwängen – kein Wunder, denn die Dame ist … schwanger.
Der Höhepunkt des Monumentalfilms „Hail Caesar“: der Held des Films, ein römischer Heerführer, Skeptiker zunächst, nun aber bekehrt, steht zu Füßen des Gekreuzigten und hält eine flammende, leidenschaftliche Rede von der „Wahrheit, die wir sehen könnten, hätten wir doch nur einen …äähh … äähh …“
Cut: „… Glauben“ … kommt es resigniert aus dem off. Der blendend aussehende und charismatische Hauptdarsteller (herrlich dämlich: George Clooney) hat am Höhepunkt seiner Rede den Faden verloren – die Studio-Mitarbeiter, bis dahin fast wider Willen ergriffen von seiner Schauspielkunst, plumpsen hart zurück auf den (Studio-)Boden der Tatsachen.
Eine typische Stepp-Show der Fünfzigerjahre: eine Gruppe gut aussehender Jungs in Matrosenkostümen legt eine fulminante Sohle auf’s Parkett und besingt – mit einem herrlich homoerotischen Subtext – das Los der Matrosen auf See: „We ain’t gonna see a dame!“
Cut: Im puritanischen und Kommunisten-feindlichen Hollywood der Fünfziger erweist sich der steppende Publikumsliebling (kann wirklich tanzen: Channing Tatum) als schwuler Kommunist mit einer Vorliebe für Uniformen und Schoßhündchen.
Schauplatz dieser Dramen und Dramoletts ist „Capitol Pictures“, eines der mächtigen Studios, in denen das Hollywood der Fünfziger Träume für Millionen – im doppelten Wortsinn – produziert. Hier hat Eddie Mannix, Mädchen für alles und Seele des Studios, wirklich alle Hände voll zu tun: Wie verkauft man den Sittenwächtern ein schwangeres Starlet? Wie jubelt man dem Star-Regisseur Laurence Lorenz (herrlich blasiert: Ralph Fiennes) einen gnadenlos fehlbesetzten Hauptdarsteller unter? Wie macht man sich die Klatschreporterin mit der Spürnase und dem Charme eines Pitbulls (herrlich zickig: Tilda Swindon) gewogen?
Und damit nicht genug, wird der Star des Studios und Hauptdarsteller des Leinwand-Epos „Hail Caesar“ mitten in der Produktion Opfer einer Entführung – und wir, die Zuschauer, wissen schon bald, dass er in die Hände einer Gruppe arbeitsloser Drehbuchschreiber geraten ist, allesamt Opfer der McCarthy-Tribunale mit ihrer hysterischen Jagd auf echte und vermeintliche Kommunisten. Wie diese intellektuellen und wortgewaltigen Herren, im amerikanischen Original zum Teil mit dem schweren Akzent der vor den Nazis geflohenen Exil-Europäer, unserem eher schlichten Helden ihre Sicht der Welt zwischen Kapitalismuskritik und Adorno nahezubringen versuchen, das ist einfach umwerfend komisch!
Überhaupt, die Dialoge: schnell, geistreich, pointensicher; dazu punktgenauer Slapstick, Stars, die mit Wonne ihr eigenes Image persiflieren und – wie immer bei den Coen-Brüdern – viel Liebe zum Detail!
Darüber hinaus ist der Film eine Liebeserklärung an das große Kino der Fünfzigerjahre. Cineasten werden ihren Spaß haben an tausend Anspielungen auf große Hollywood-Filme und ihre Stars: Channing Tatums Stepp-Nummer ist eine augenzwinkernde Hommage an Gene Kelly, George Clooney im Legionärsröckchen ein wenig schmeichelhafter Hybrid aus Kirk Douglas und Charlton Heston. Und die Filmszenen im Film sind so gekonnt und liebevoll gemacht, dass ich mir fast gewünscht habe, es wären Trailer zu echten Hollywood-Klassikern, die ich noch nicht kenne …
Humor ist ja bekanntlich Geschmacksache, und während in den Feuilletons beim Filmstart einhellige Begeisterung herrschte, sind die Reaktionen im Netz eher gemischt. Meine Freunde und ich jedenfalls haben uns im Kino und beim Weinchen danach schier nicht mehr eingekriegt!
„Hail Caesar“ als DVD und Blu-ray im Online-Katalog der Münchner Stadtbibliothek