Alle ein, zwei Monate stellt euch unsere Belletristik-Referentin Doris drei Bücher vor: bemerkenswerte Romane, jenseits von Bestsellerlisten und Amazon-Fünf-Sterne-Bewertung, die das Lesen lohnen, weil sie neue Perspektiven eröffnen, unerhörte Geschichten erzählen, Ausnahmen auf dem Buchmarkt darstellen, von engagierten Verlagen übersetzt und publiziert wurden. Für mehr Bibliodiversität und Vielfalt im Regal! (Ein Klick aufs jeweilige Cover führt euch in unseren Onlinekatalog zum Ausleihen oder Vormerken.)
Helene Bukowski: Milchzähne
Hervorgegangen ist Blumenbar 2002 aus dem gleichnamigen literarischen Salon, den die beiden Gründer seit 1997 in ihrer Wohnung in der Blumenstraße in München und an wechselnden Orten veranstalteten. Seit März 2012 wird Blumenbar als Imprint des 1945 gegründeten Berliner Aufbau-Verlags weitergeführt.
In ihrem Debütroman entwickelt die 1993 geborene Autorin Helene Bukowski eine dystopische Parabel über eine Gemeinschaft, die in einer unwirtlichen, lebensfeindlichen Gegend völlig abgeschnitten von der Außenwelt existiert und Fremdes nicht dulden will.
„Eine mysteriöse Gemeinschaft, die sich nach einer Katastrophe vom Rest der Welt abschottet, wird zum Sinnbild für den gesellschaftlichen und meteorologischen Klimawandel unserer Zeit. (…) Ein starker Kommentar zu unserer erhitzten Gegenwart und zugleich ein beeindruckender Roman übers Erwachsenwerden.“ (swr2, Buch der Woche vom 10. Juni 2019)
222 Seiten, Blumenbar Verlag
Josephine Rowe: Ein liebendes, treues Tier
Die Verlagsbuchhandlung Liebeskind wurde im Januar 2000 als Verlag für zeitgenössische Literatur gegründet und veröffentlicht seitdem acht bis zehn Titel im Jahr. Aufgrund der hohen literarischen Qualität des Programms und der handwerklichen Sorgfalt bei der Gestaltung der Bücher wurde Verleger Jürgen Christian Kill 2008 mit dem Zillmer-Preis für verdienstvolles verlegerisches Handeln ausgezeichnet.
Mit Josephine Rowe, 1984 in Queensland geboren, präsentiert der Verlag eine junge Stimme der australischen Literatur. Im Mittelpunkt ihres Debütromans steht eine Familie Anfang der 1990er-Jahre im Südwesten Australiens, die vom Vietnamtrauma des Vaters geprägt ist und schließlich mit dessen Verschwinden zurechtkommen muss. Dabei nimmt Rowe abwechselnd die Perspektive der Familienmitglieder ein und verleiht ihnen jeweils ganz eigene Erzählstimmen.
„Josephine Rowe spricht im Text mit ihren Lesern, eindringlich, in starken Bildern und einer oft geradezu poetischen Sprache, (…). Sie erzählt von den modernen Gesellschaften, in denen so viel Grausamkeit, Krieg, Verheerung herrscht, dass es Schwerstarbeit bedeutet, dem etwas entgegen zu setzen. Aber genau das tut sie – zart und unverwüstlich. (Annemarie Stoltenberg, ndr.de, 16. Januar 2019)
208 Seiten, Liebeskind Verlag, aus dem Englischen von Barbara Schaden
Tomer Gardi: Sonst kriegen Sie Ihr Geld zurück
Der 1978 von Maximilian Droschl gegründete Literaturverlag Droschl widmet sich der Gegenwartsliteratur von deutsch- und fremdsprachigen Autoren und pflegt dabei besonders die Tradition der Aufsässigen, der formalen Erneuerer und Traditionsbrecher. Viele Autorinnen und Autoren wurden mit ihren Droschl-Veröffentlichungen dem deutschsprachigen Publikum zum ersten Mal vorgestellt.
Mit „Sonst kriegen Sie Ihr Geld zurück“ legt Tomer Gardi, geboren 1974 im Kibbuz Dan in Galiläa, nach „Broken German“ bereits seinen zweiten Titel bei Droschl vor. In unzähligen Anekdoten und Szenen erzählt er von einem Schriftsteller, der einen Beamten beim Arbeitsamt mittels einer an „Tausendundeine Nacht“ angelehnten Erzählung von der Daseinsberechtigung des Dichters zu überzeugen versucht.
Der Roman stand auf Platz 1 auf der Weltempfänger-Liste Frühjahr 2019: „Ein wilder, witziger, völlig undisziplinierter literarischer Reigen, der mit der israelischen Gesellschaft ins Gericht geht. Und nicht nur mit dieser.“ (Insa Wilke, Jurymitglied)
160 Seiten, Literaturverlag Droschl, aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer
Featured Image: Holly Mandarich / Unsplash