Die ganze Geschichte erzählen

Wirkungsmessung in Öffentlichen Bibliotheken

Wie gut die skandinavischen Ländern die zentrale gesellschaftliche Rolle von öffentlichen Bibliotheken begriffen haben, beweisen nicht zuletzt deren Investitionen in die Zukunft ihrer „palaces for the people“ (Eric Klinenberg). Investitionen zum Beispiel in die Sichtbarkeit – wofür Oodi, die öffentliche Bibliothek der finnischen Hauptstadt Helsinki, stets und zurecht als bestes Beispiel dient. Die dänische Bibliothekslandschaft wiederum zeichnet sich vor allem durch Investitionen in die Nutzer*innen-Orientierung, die Usability, aus: In Dänemark gibt es einen landesweiten Katalog für die Bestände aller öffentlichen Bibliotheken (hierzulande hat jede ihren eigenen); in Dänemark wurde das Konzept „Open Library“ bereits 2004 pilotiert; und jüngst machte die Öffentliche Bibliothek der dänischen Stadt Roskilde von sich reden, weil sie viele Ressourcen in die Entwicklung neuer Kennzahlen für öffentliche Bibliotheken investierte – auch, und das eint sie mit den deutschen öffentlichen Bibliotheken, aus Unzufriedenheit mit den bewährten Statistiken: „However visitor and lending statistics do not tell the whole story of what users actually get out of using the public library.“ Auf Grundlage des britischen Forschungsprojekts „The Cultural Value Project“ entwickelte man in Roskilde das „Impact Compass Modell“, das die Wirkung von öffentlichen Bibliotheken in den Blick bekommen soll. Das Impact Compass Modell untersucht vier Dimensionen der Wirksamkeit: die emotionale, die intellektuelle, die kreative und die soziale Dimension; „Sicherer Hafen“, „Perspektive“, „Kreativität“ und „Gemeinschaft“ lauten die Überschriften der Dimensionen.

Die europaweite Sentobib-Studie über öffentliche Bibliotheken, die im vergangenen Herbst zum ersten Mal durchgeführt wurde, bedient sich des Impact Compass Modells – eine Popularisierung, die zu rechten Zeit kommt, denn die Frage nach dem positiven Einfluss und dessen Messbarkeit sollte im Grunde jede (größere) öffentliche Bibliothek beantworten können. Nicht nur aus politischen Gründen – etwa um Etats zu verteidigen oder illiberale Bestrebungen abzuwehren – sondern auch aus nachhaltigen. Auch wenn die meisten Einrichtungen bislang nicht zur Berichterstattung verpflichtet sind, bietet eine Handabdruck-Bilanzierung doch vielfältige Möglichkeit die eigene Arbeit zu reflektieren und in Zukunft wirksamer zu gestalten. Kommt hinzu, dass der Weg dahin längst nicht so steinig ist wie zur Klimabilanz. Und drittens will auch die Nachhaltigkeitskommunikation lieber gute Geschichten vom Gewinn erzählen als melancholische vom Verzicht. Last but alles andere als least lässt sich die Pflicht zum positiven Impact (und dessen stete Optimierung) auch den Auftragsbüchern von Kultur- und Bildungsinstitutionen entnehmen; bei Bibliotheken ist das etwa jene grundgesetzlich verankerte Pflicht, dass alle Menschen ihr Recht wahrnehmen können, „sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“ (Art. 5 GG).

Eine gute Möglichkeit, sich dem Thema zu nähern, sind die 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung – es wären nur zwei Fragen zu jedem dieser Ziele zu beantworten: Was tragen wir als öffentliche Bibliothek zu diesem Ziel bei? Und wie können wir das messen? Eine gute Inspiration hierfür liefert künstliche Intelligenz – MucGPT, die KI der Verwaltung der Landeshauptstadt München nennt, befragt nach Ideen zu den Zielen 3, 4, 5 und 6, zum Beispiel Folgendes:

Ziel 3: Gesundheit und Wohlergehen

Beitrag der Bibliothek:

  • Bereitstellung von Informationen und Ressourcen zu Gesundheitsthemen (z.B. Bücher, Broschüren, Workshops).
  • Veranstaltungen zu mentaler Gesundheit, Ernährung und körperlicher Fitness.
  • Zugang zu digitalen Gesundheitsressourcen und -diensten.

Messung:

  • Anzahl der Veranstaltungen und Teilnehmer zu Gesundheitsthemen.
  • Umfragen zur Nutzerzufriedenheit hinsichtlich der Gesundheitsressourcen.
  • Statistiken über die Ausleihe von gesundheitsbezogenen Medien.

Ziel 4: Hochwertige Bildung

Beitrag der Bibliothek:

  • Angebot von Lernressourcen, Kursen und Workshops für verschiedene Altersgruppen (z.B. Leseförderung, digitale Kompetenzen).
  • Unterstützung von Schulen und Bildungseinrichtungen durch Schulungsprogramme und Materialien.
  • Bereitstellung eines Zugangs zu Technologie und Internet für alle.

Messung:

  • Anzahl der durchgeführten Bildungsprogramme und deren Teilnehmerzahlen.
  • Feedback von Nutzern und Bildungseinrichtungen zur Qualität der Angebote.
  • Statistiken über die Nutzung von Lernmaterialien und -ressourcen.

Ziel 5: Geschlechtergleichheit

Beitrag der Bibliothek:

  • Förderung von Gleichstellung und Chancengleichheit durch spezielle Programme und Veranstaltungen.
  • Bereitstellung von Ressourcen, die Geschlechterfragen und -themen beleuchten.
  • Unterstützung von Initiativen und Partnerschaften, die sich für die Geschlechtergleichheit einsetzen.

Messung:

  • Anzahl der Veranstaltungen zu Geschlechtergleichheit und deren Teilnehmerzahlen.
  • Umfragen zur Wahrnehmung von Geschlechterfragen in der Bibliothek.
  • Dokumentation von Partnerschaften mit Organisationen, die sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen.

Ziel 6: Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen

Beitrag der Bibliothek:

  • Sensibilisierung für Wasser- und Abfallmanagement durch Informationsmaterialien und Veranstaltungen.
  • Organisation von Workshops zur nachhaltigen Nutzung von Wasserressourcen.
  • Kooperation mit lokalen Umweltgruppen, um das Bewusstsein für Wasserfragen zu fördern.

Messung:

  • Anzahl der Veranstaltungen und Teilnehmer zu Wasser- und Umweltfragen.
  • Umfragen zur Sensibilisierung und Verhaltensänderung der Nutzer in Bezug auf Wasserressourcen.
  • Dokumentation von Kooperationen mit Umweltorganisationen und deren Ergebnissen.

In der Münchner Stadtbibliothek haben wir unsere Vision „Bibliothek 2025“ verwendet, um neue Kennzahlen für unseren positiven Impact entwickelt. Ausgehend von deren sechs Handlungsfeldern – Vielfalt der Menschen, Offene Räume, Gesellschaftliche Beteiligung, Lernende Institution, Kulturelle Bildung und Demokratiebildung, Gelebte Nachhaltigkeit – haben wir strategische Ziele entwickelt und erste Versuche einer Entwicklung von zugehörigen Kennzahlen gemacht. Im Handlungsfeld „Offene Räume“, das sowohl digitale und mobile Räume als auch auf Räume im Quartier einbegreift, reicht das etwa von Klickzahlen und Öffnungsstunden über Besuchshäufigkeit und -dauer bis zum nationalen Vergleich der öffentlichen Flächen pro Einwohner*in r bis zur Zufriedenheit der Nutzer*innen mit diesen Angeboten.

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