Der Taubenkönig – „An die Bürgerkinder“: Grunderbe, Autonomie und Räume | #PopPunkPolitik

Bildung, Geld und Chancen: Warum fordert Der Taubenkönig, eine Figur von Werner Mesch, in seinem Gedicht „An die Bürgerkinder“ ein Grunderbe für alle? Welchen Bezug gibt es zur Vernetzungsaktion „Autonome Räume“ #PopPunkPolitik der Monacensia? Warum ist die Ästhetik des Briefes mit dem Gedicht auf handgeschöpftem Papier aus dem Glockenbachviertel wichtig? Was hat das mit Instagram zu tun? Lesen!

Brief mit Gedicht "An die Bürgerkinder" - eine Forderung auf Grunderbe. Auf dem Brief mit rotem Siegel liegt ein Briefumschlag beschriftet mit #PopPunkPolitik und @Monacensia_Muc. Ein Briefmarkenaufdruck im Design des Taubenkönigs und Siegel
Der Taubenkönig und das Gedicht: An die Bürgerkinder – Geld, Räume und handgeschöpftes Papier. #PopPunkPolitik. Foto: Werner Mesch

Über Instagram erhielten wir von @dertaubenkoenig früh die Anfrage, ob wir einen Beitrag zur Vernetzungsaktion in Gedichtform zur aktuellen Diskussion zum Grunderbe annähmen. Der Bezug zu autonomen Räumen sei gegeben. Die Verknüpfung zum DIY-Gedanken der 1980er Jahre über die Ästhetik des Briefes auch. Zuerst als Instagram-Beitrag gedacht, entwickelte sich daraus ein Blog-Artikel. 

Wir stellten Werner Mesch vier Fragen zur Idee, Ausführung mit Instagram-Bezug und benötigten Räumen für Kulturschaffende in München. Den versiegelten Brief mit Gedicht und Hashtag-Adresse übermittelte er uns persönlich: Analog meets Digital – wir danken herzlich dafür! 

„An die Bürgerkinder“ von Der Taubenkönig (Werner Mesch)

AN DIE BÜRGERKINDER der Bundesrepublik Deutschland 

Gebt uns keine Räume
Gebt uns keine Aufmerksamkeit
Gebt uns keine Bühnen
Gebt uns einfach nur Geld
100.000 Euro für jeden von uns!
Ihr lacht.
Aber das ist nur ein Bruchteil dessen, was ihr erben werdet
Für nichts
Und wieder nichts
Für keine Leistung
Für keine Arbeit
Für keine Geduld
Allein durch den glücklichen Umstand eurer Geburt
DAS ist der Raum, der euch Macht verleiht
Der euch Macht über uns verleiht
Der euch Autonomie verleiht
Und uns in Ketten legt

Gebt uns einfach nur Geld
Und wir bauen uns selbst unsere Räume
Größer, als ihr sie je bauen könntet
Bunter, als ihr sie je planen könntet
Stärker, als ihr sie je haben möchtet

Gebt uns keinen Applaus
Gebt uns einfach nur Geld
Geld, das uns zusteht
Weil IHR es auch geschenkt bekommt

Der Taubenkönig, München, 23.02.2022

Wie kamst du auf die Idee des Gedichts für Instagram?

Kinder aus „gutem“ Elternhaus starten mit einem Vorsprung ins Leben, der von Kindern aus sozial niedrigeren Klassen nur schwer einzuholen ist. Sie müssen mit schlechteren Schuhen schneller laufen, um ans selbe Ziel zu kommen. Wer einmal diesen Vorsprung genießt, gibt ihn nur ungerne wieder her. Vermögen, Netzwerke, Referenzen werden von Generation zu Generation weitervererbt. Aufstiegschancen werden vorgegaukelt, indem Einzelbeispiele hervorgehoben werden, ohne dass sich die statistischen Wahrscheinlichkeiten des sozialen Aufstiegs erhöhen. Neue Räume und Initiativen werden geschaffen, ohne dass sich die grundlegenden Besitz- und Machtverhältnisse verändern. 

Es ist schwer für Außenseiter, in etablierten Strukturen Gehör zu finden oder überhaupt deren Zugangsvoraussetzungen zu erfüllen – so auch in der Kultur- und Literaturbranche. AutorInnen, die im Selbstverlag veröffentlichen, werden bei vielen Stipendien und Preisen zum Beispiel von vornherein ausgeschlossen, obwohl gerade diese immer wieder mit besonders innovativen Ideen hervortreten.

Ein Grunderbe für alle jungen Menschen im Sinne eines Startkapitals – wie es u. a. eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vorschlägt – könnte viele der genannten Probleme lösen und zu mehr Chancengerechtigkeit beitragen. Wer Geld hat, wird ernst genommen und hat den Kopf frei, um künstlerische Wagnisse einzugehen, die ansonsten mangels Zeit und Energie nicht möglich wären.

Quellen für das Gedicht:

„An die Bürgerkinder" - Gedicht aufgedruckt auf handgeschöpftem Papier aus dem Glockenbachviertel in München. #PopPunkPolitik
„An die Bürgerkinder“ – Gedicht aufgedruckt auf handgeschöpftem Papier aus dem Glockenbachviertel in München. #PopPunkPolitik – Foto: Werner Mesch

Warum hast du dich für die Ästhetik des Briefes entschieden?

Das Papier stammt aus dem Papierwerk Glockenbach, einer kleinen Hinterhofwerkstatt von Raphael Grotthuss und Annamaria Leiste im Münchner Glockenbachviertel, die dort handgeschöpftes Papier aus den unterschiedlichsten Materialien herstellen und gleichzeitig den Kontakt mit der lokalen Community fördern.  

Dieser Bezug zum Lokalen, die schonende Nutzung von Ressourcen, das Arbeiten mit den Händen, echtes Handwerk mitten in der Stadt, der physische Kontakt mit Menschen und Materialien, das alles passt hervorragend zur Geschichte des Taubenkönigs und zum Thema, wie man Räume kreativ nutzen kann und gleichzeitig die Community mit einbezieht.  

Gleichzeitig schwingen im Hinterkopf natürlich immer die EmpfängerInnen dieser Inszenierung mit. Die digitale Welt auf Instagram und die analoge eines ehrwürdigen Literaturarchivs, das sich dem Wandel offen zeigt. Denkt man es weiter, wäre der analoge Brief nicht ohne das digitale Projekt entstanden. Zwei Welten stoßen hier aufeinander und werden durch diesen Brief verknüpft und wer möchte, kann sich an beiden erfreuen.

Was verbindet die Beschriftung des Briefes mit Instagram?

Der Empfänger auf dem Umschlag ist ein Benutzername und keine physische Adresse. Der Brief besitzt eine „Caption“, die der Ästhetik von Instagram nachempfunden ist. Das ist nicht nur Spielerei. Werden Hashtags auf Instagram vorrangig zur Reichweitengenerierung eingesetzt, sind sie tatsächlich dazu da, um Inhalte und Gedanken zu sortieren, einzuordnen und auffindbar zu machen. Wobei wir direkt bei den Aufgaben von Archiven landen. Und es stellt sich im Umkehrschluss auch die spannende Frage: Wie archiviert man eigentlich Digitales, um es der Nachwelt zugänglich zu machen?

Brieumschlag im Instagram-Look zu #PopPunkPolitik
Brief im Instagram-Look zu #PopPunkPolitik
Siegel des Taubenkönigs. #PopPunkPolitik
Siegel des Taubenkönigs. #PopPunkPolitik

Was für Räume braucht die Stadt München für Kulturschaffende?

Im Sinne des Gedichts plädiere ich für finanzielle Spielräume. Nachhaltige, langfristige Förderungen, auf deren Basis man eine künstlerische Existenz aufbauen oder sich zumindest darin versuchen kann. Bezahlbaren Wohn- und Arbeitsraum. Weniger Einstiegshürden in die Institutionen der Stadt. Die Akzeptanz von Self-Publishing und Do-it-yourself-Projekten bei städtischen Preisen und Stipendien. Zugang für unprivilegierte Menschen, die weder Referenzen noch Kontakte haben. Unbekannten Stimmen ein Grundvertrauen schenken. 

Das alles erfordert viel Mut, denn man weiß natürlich nicht, auf was man sich einlässt. Es erfordert vermutlich auch mehr Arbeit und Organisationsaufwand. Aber letztlich wird man mit einer Vielfalt an Kunst, Kultur und Gemeinschaft belohnt werden, die sich in einer gesteigerten Lebensfreude aller zeigen wird. Und was könnte sich eine Stadt Schöneres wünschen?!

Autor: Werner Mesch

Der Taubenkönig, Werner Mesch auf einem Dach mit Maske und in Buch blätternd bei Sonnenschein
Der Taubenkönig, Werner Mesch

Werner Mesch lebt als freier Schriftsteller und Herausgeber in München. 2021 erhielt er das Stipendium „Junge Kunst und neue Wege“ des Freistaats Bayern für die Veröffentlichung der „Taubenkönig“-Manuskripte. Das dazugehörige Heft #1 erschien im Oktober letzten Jahres und erzählt den ersten Akt einer Tragödie, die in den alten Gemäuern des untergegangenen Schwabylons ihren Ursprung nahm. 

Besucht Werner Mesch auf:

Der Taubenkönig | Funkhaus SCHWABYLON   

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#PopPunkPolitik Vol. 2
#PopPunkPolitik Vol. 2

Die Vernetzungsaktion ist Teil von #PopPunkPolitik Vol. 2 – unserem digitalen Programm, das wir auf der Microsite zur Ausstellung in der Übersicht spiegeln. Schaut rein!


Monacensia im Hildebrandhaus
Maria-Theresia-Str. 23
81675 München

Öffnungszeiten: Mo – Mi, Fr 9.30 – 17.30, Do 12.00 – 22.00 | Ausstellungen auch Sa, So 11.00 – 18.00 | Eintritt frei

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