Auslese: Buchweltreise durch Afrika

Mehr lesen und mehr von der Welt erfahren: Diese zwei guten Vorsätze für das neue Jahr lassen sich prima in einem Aufschwung umsetzen, nämlich durch die Lektüre von Büchern aus Ländern und Regionen, die einem unbekannt sind. Und zum Glück gibt es auch gleich die passende Challenge dazu: Das Blog UmgeBUCHT hat zur Buchweltreise aufgerufen. Das unterstützen wir gerne – heute mit ein paar Literaturreisetipps für den afrikanischen Kontinent.

Viele der hier genannten Autorinnen und Autoren leben nicht (mehr) in ihrem Geburtsland, wie von manchen Buchweltreise-Blogger_innen gefordert. Doch eben diese doppelte, „afropolitische“ Identität ist eines der prägnantesten Merkmale der afrikanischen Literatur und auch immer wieder deren Thema. Deshalb spielt es in dieser Auslese keine Rolle, wo die Autorinnen und Autoren aktuell zuhause sind.

Zum Ausleihen oder Vormerken in der Münchner Stadtbibliothek einfach aufs Cover des jeweiligen Buchs klicken.


mengisteÄthiopien

Maaza Mengiste: Unter den Augen des Löwe (290 Seiten, Wunderhorn Verlag)

Mit ihrem Roman über das Ende der Herrschaft des äthiopischen Kaisers Haile Selassie und dessen brutale Folgen debütierte Mengiste im Jahr 2010 (2012 auf Deutsch). Seither warten alle auf ihren zweiten Roman, an dem die durchweg sympathische Autorin, die schon in so vielen Ländern dieser Erde lebte, bereits seit Jahren arbeitet. Er wird von dem sog. „Abessinienkrieg“ handeln und ein großes Augenmerk auf die kolonialistische Bildpolitik legen: Auszüge des Romans stellte sie auf dem Bigsas-Festival 2014 vor. Bis dahin: „Unter den Augen des Löwen“ lesen!

Rezension im Deutschlandradio


bommariusKamerun

Christian Bommarius: Der gute Deutsche (152 Seiten, Berenberg Verlag)

Der Journalist Bommarius hat keine Kameruner Hintergrund, aber dennoch sei dieses Sachbuch hier empfohlen, da es einen hervorragenden Einstieg in die immer noch viel zu selten beleuchtete deutsche Kolonialgeschichte bietet. Der Autor arbeitet den Fall Manga Bell auf: Die deutschen Kolonialisten sandten den Duala-Prinz zur Bildung nach Deutschland – doch als Manga Bell sein Wissen im Kampf für die Rechte seines Volkes einsetzen wollte, machte man ihm den Prozess, der freilich mit Gerechtigkeit und Gesetz denkbar wenig zu tun hatte. Basislektüre.

Einer der wichtigsten literarischen Autoren des Landes ist Patrice Nganang (Onlinekatalog der Münchner Stadtbibliothek)

Rezension im Blog der Münchner Stadtbibliothek


owuorKenia

Yvonne Adhiambo Owuor: Der Ort, an dem die Reise endet (512 Seiten, Dumont Verlag)

Einer der ersten Romane, der die jüngsten Auseinandersetzungen in Kenia im Jahre 2007 zum Hintergrund hat und diese auch als Folge einer langen Geschichte von Gewalt und gesellschaftlichen Verwerfungen erzählt. „Der Ort, an dem die Reise endet“ (im Original „Dust“) beginnt mit der Erschießung eines jungen Mannes, Odidi, in den Straßen von Nairobi. Dessen Schwester, Ajany, macht sich also auf den Weg von ihrer Wahlheimat Brasilien nach Kenia. Auf der Suche nach der Geschichte ihres Bruders trifft sie auf den Briten Isaiah Bolton, der wiederum der Biografie seines Vaters auf der Spur ist.

Yvonne Adhiambo Owuor lebt in Kenia, und ihren Debütroman darf man wohl als hervorragendes Beispiel für die kenianische Literatur verstehen: dicht, kraftvoll, inspiriert. Nicht zufällig hat man ihn mit den Publikationen von Ngugi wa Thiong’o verglichen, den man hier natürlich auch empfehlen kann.

Rezension in der Neuen Zürcher Zeitung


reybrouckKongo

David van Reybrouck: Kongo (780 Seiten, Suhrkamp Verlag)

Eine weitere Basislektüre von einem, der nicht kongolesischer, sondern belgischer Abstammung ist, aber im Kongo aufwuchs, da sein Vater als Ingenieur seit 1960 (Unabhängigkeit der ehemaligen belgischen Kolonie) dort arbeitete. Van Reybrouck ist ein brillanter Reporter und Erzähler: in großen und kleinen Geschichten arbeitet er die blutige Historie dieser Region auf. Es gibt wenige Sachbücher, die mich derart gefesselt haben, dass ich sie nicht mehr aus der Hand legen konnte.

Rezension im Deutschlandfunk

Einer der wichtigsten literarischen Autoren des Landes ist Alain Mabanckou (im Onlinekatalog der Münchner Stadtbibliothek)


sarowiwaNigeria

Noo Saro-Wiwa: Looking for Transwonderland (272 Seiten, Soft Skull Press)

Der Nachname dürfte dem ein oder anderen vielleicht bekannt vorkommen: Noo Saro-Wiwa ist die Tochter des Schriftstellers und Bürgerrechtlers Ken Saro-Wiwa, der 1995 von Diktator Sani Abacha unter den Augen der Weltöffentlichkeit hingerichtet wurde („Ogoni Nine“). Noo Saro-Wiwa ist auf Wunsch des Vaters in England aufgewachsen. Jahrzehnte später, mittlerweile eine anerkannte englische Journalistin, begibt sie sich auf Reisen durch ihr Geburtsland: von Lagos über Ibadan nach Norden und zurück in ihre Kindheitsstadt Port Harcourt und ins Nigerdelta. Hin- und hergerissen zwischen der nigerianischen Lebensart und ihrer britischen Sozialisation, zwischen Heimatgefühlen und dem touristischen Blick unternimmt sie einen Streifzug durch die Kulturgeschichte dieses Transwonderlands. Unbedingt empfehlenswert, wenn auch bislang leider aktuell nur auf Englisch erhältlich (und bei uns nur digital).

Rezension im Guardian


mukasongaRuanda

Scholastique Mukasonga: Die Heilige Jungfrau vom Nil (216 Seiten, Wunderhorn Verlag)

Der Genozid in Ruanda, bei dem 1994 in nur wenigen Monaten mindestens 800.000 Angehörige der Tutsi-Minderheit auf brutalste Weise getötet wurden, dürfte vielen noch in Erinnerung sein. Dass auch dieser Völkermord eine Vorgeschichte hat, erzählt Scholastique Mukasonga: Ihr Roman „Die heilige Jungfrau vom Nil“ handelt von einem katholischen Internat in den Bergen von Ruanda in den 1970er Jahren. Die Mehrheit der Schülerinnen sind Hutu, für Tutsi gibt es eine Quote, doch auch diese verhindert nicht, dass die angeheizte Verfeindung der vermeintlichen Ethnien (tatsächlich eine Erfindung der französischen Kolonialisten) auch hier immer stärker zu spüren sind in den feinen sozialen Haarrissen und Untertönen. Es dauert nicht mehr lange, bis die Gewalt eskaliert.

Rezension in der taz


gappahSimbabwe

Petina Gappah: Die Farben des Nachtfalters (352 Seiten, Arche Verlag)

Im Original heißt dieser Roman „The Book of Memory“, und das ist wirklich der deutlich bessere Titel: Die Hauptfigur heißt Memory und schreibt ihre Geschichte auf. Denn Memory sitzt in der Todeszelle in Simbabwes berüchtigtem Gefängnis Chikurubi, angeklagt wegen Mordes an einem Weißen. Nach und nach erfährt man von ihrer Kindheit, die von der Ablehnung der Mutter geprägt war, denn Memory ist eine Albino – also weder ‚richtig‘ schwarz noch ‚richtig‘ weiß. Dass ihre eigenen Erinnerungen womöglich nicht der Wahrheit entsprechen, ahnt man bald. Aber mehr sei hier nicht verraten: einfach selbst lesen!

Rezension im Blog Kulturgeschwätz



Kommentar zu “Auslese: Buchweltreise durch Afrika

  1. Vielen Dank für die interessanten Empfehlungen!

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