Auslese: 15 lesenswerte Romane aus München

Am kommenden Freitag, 9. Dezember, eröffnet die Monacensia im Hildebrandhaus nach mehrjähriger Umbauphase wieder Türen und Tore (Programm Eröffnungswochenende). Das traditionsreiche Haus beherbergt nicht nur das Literaturarchiv der Stadt, sondern bietet in seiner Bibliothek auch eine reichhaltige Auswahl an Gegenwartsliteratur aus München. Hier eine Auswahl an Neuerscheinungen von Münchner Schriftstellerinnen und Schriftstellern, in der für jede und jeden etwas dabei ist.


ani_brenntFriedrich Ani: Nackter Mann, der brennt
223 Seiten, Suhrkamp 2016

Im Alter von vierzehn Jahren flieht ein Junge aus dem süddeutschen Dorf Heiligsheim. Vierzig Jahre später kehrt er als Ludwig, „Luggi“ Dragomir zurück: Alkohol, Drogen und alle gegen sich und die anderen ausgefochtenen Kriege in Berlin verhinderten nicht das ständige Wiederleben des Missbrauchs seiner Spielkameraden und seiner selbst durch die Honoratioren von Heiligsheim. Die Schuldgefühle, diese Jungen nicht beschützt zu haben, treiben ihn an: „Je mehr Zeit ich im Dorf verbrachte, desto mehr Kinder kamen zurück und scharten sich in meinem Kopf ums schwarze Brot der Erinnerung.“

Seit seiner Anwesenheit  verschwinden gleich mehrere ältere Herren, einige werden tot aufgefunden – ob durch Unfall oder Mord, das versucht Kommissarin Anna Darko herauszufinden.

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bicker_prayerBjörn Bicker: Was glaubt ihr denn. Urban Prayers (Tukan-Preis 2016)
267 Seiten, Antje Kunstmann 2016

Es erzählen die gläubigen und ungläubigen Bürger der Städte – der Bruder, der Sozialarbeiter, der DHL-Bote, die Lehrerin, die Journalistin. Sie erzählen Leilas Geschichte. Doch kaum endet die Erzählung des einen, beginnt die der anderen. Das soziale Leben findet eine gemeinsame Sprache – es geht um renitente Jugendliche, um soziales Engagement, um Einwanderung, um Heimat, um falsche und echte Bilder und den Traum vom wahren Leben. Was glauben die Menschen politisch? Lassen sie den anderen ihre Freiheit? Arbeiten sie für eine bessere Welt? Wie beeinflussen sie das soziale und politische Leben der Stadt?
Aus einer langen Recherche im religiösen Leben unserer Städte ist ein Text entstanden, der für die vielen Stimmen der Wirklichkeit einen analytischen wie poetischen Resonanzraum schafft.

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bronnen_feldherrnhalleBarbara Bronnen: Feldherrnhalle
283 Seiten, Europa Verlag 2016

Barbara Bronnen blickt in ihrem Roman auf die bewegte Geschichte eines außergewöhnlichen Monuments zurück: Sie gestaltet seine Welt mit vielfältigen Stimmen, ihren Beobachtungen und Gedanken, ihren überraschenden Begegnungen mit den Ohrenzeugen von gestern und heute, der Zeugenschaft der Großmutter und nicht zuletzt der dunklen Stimme der Feldherrnhalle. So begegnenwir König Ludwig I. und seiner langjährigen Geliebten Marianna Florenzi, Lola Montez, Ricarda Huch, Georg Elser, Bertolt Brecht, Léo Lania, Hannah Arendt, Walter Klingenbeck, Gerhard Roßbach, Oskar Maria Graf und der Terroristin Vera Sassulitsch. Barbara Bronnens kluge wie spannende Spurensuche zeigt die Vielschichtigkeit eines Denkmals, dessen Vergangenheit auf einzigartige Weise unsere Geschichte widerspiegelt und zur Chiffre für Umbrüche, Wandlungen und Ambivalenz der deutschen Seele zwischen gestern und morgen geworden ist.

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gorelik_nullLena Gorelik: Null bis Unendlich
296 Seiten, Rowohlt Berlin Verlag 2015

Fünfzehn Jahre lang hat Nils Liebe nichts von Sanela gehört. Damals waren beide vierzehn, Nils multiplizierte vierstellige Zahlen im Kopf, Sanela kam aus Jugoslawien und hatte im Krieg ihre Eltern verloren. Zwischen den beiden Außenseitern begann eine heftige Freundschaft, vielleicht wäre es sogar mehr geworden. Aber nachdem sie zusammen ausgerissen waren und versucht hatten, in Bosnien das Grab von Sanelas Vater zu finden, eine so vergebliche wie gefährliche Reise, kam das abrupte Ende zwischen Nils und dem wilden Mädchen, das immer aus allem ausbrechen wollte. Nun erhält Nils einen Brief von Sanela, einen Brief wie früher, scheinbar zufällig. Und weiß beim ersten Treffen, wie sehr sie ihm all die Jahre gefehlt hat. Sanela hat einen kleinen Sohn, der Niels-Tito heißt, der wie Nils Liebe die Zahlen liebt und sich sofort mit diesem versteht wie mit keinem sonst. Zu dritt holen sie die Reise nach und werden bald zu so etwas wie einer Familie. Aber Sanela macht es Nils immer noch nicht leicht. Ihr Brief war kein Zufall, denn sie ist sehr krank …

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haendler_muenchenErnst-Wilhelm Händler: München
349 Seiten, S. Fischer 2016

Thaddea, Anfang 30, sehr wohlhabend, hat ihr Leben unter Kontrolle. Sie besitzt zwei spektakuläre Häuser in Grünwald und Schwabing und setzt ihre ersten Schritte in ein Leben als freie Therapeutin. Doch als ihre beste Freundin Kata sie mit ihrem Freund Ben-Luca betrügt, stürzt sie in ein Gefühlschaos. Sie beschließt, sich von beiden zu trennen, und nähert sich stattdessen Pimpi an, Ben-Lucas bestem Freund. Sie besucht Empfänge und Events der Münchner Society: die Party eines Fernsehproduzenten, eine Ausstellungseröffnung auf Schloss Herrenchiemsee. Der Schmerz bleibt. Hochsensibel beginnt sie zu erkunden, wo das eigene Ich die Welt berührt.

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hirth_lutraMatthias Hirth: Lutra lutra
730 Seiten, Voland & Quist 2016

Sich in Spaß und Sex zu verlieren ist das Programm des zweiunddreißigjährigen Fleck. Doch er spürt, dass er dafür zu zaghaft ist. Worin besteht wirkliche Stärke? Wie erreicht er die Ausstrahlung, die ihn für jede Frau und jeden Mann unwiderstehlich macht? Er kommt zu dem Schluss, dass es für ihn nur einen Weg zu vollkommener Selbstbestimmtheit und wahrhafter Attraktivität gibt: mit sämtlichen Regeln der Gesellschaft zu brechen …

 

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jarawan_zedernPierre Jarawan: Am Ende bleiben die Zedern
448 Seiten, Berlin Verlag 2016

Samir ist auf einer Reise, die Gegenwart und Vergangenheit verbinden soll: Er will endlich die Wahrheit über seinen Vater erfahren, der die Familie vor zwanzig Jahren ohne eine Nachricht verlassen hat. Mit einem rätselhaften Dia und den Erinnerungen an die Geschichten seines Vaters im Gepäck macht der junge Mann sich in den Libanon auf, das Geheimnis zu lüften. Seine Suche führt ihn durch ein noch immer gespaltenes Land, und schon bald scheint Samir nicht mehr nur den Spuren des Vaters zu folgen. Vielmehr ist es, als seien die Figuren aus dessen Geschichten real geworden. Sie bringen Samir einer Lösung näher, die seine kühnsten Vorstellungen übersteigt.

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lang_nachhauseThomas Lang: Immer nach Hause
380 Seiten, Berlin Verlag 2016

Hermann Hesse ist Ende zwanzig und bereits für sein Frühwerk berühmt, als er sich mit seiner neun Jahre älteren Frau Mia Bernoulli in ein abgelegenes Dorf am Bodensee zurückzieht. Hier lassen sie sich ein Haus im Reformstil bauen, versuchen sich als Selbstversorger, gründen eine Familie. Doch je mehr sich der Schriftsteller von der Welt abgeschnitten fühlt, desto mehr wächst die Unzufriedenheit. Literarisch will ihm bald kaum noch etwas gelingen, er sieht sich in einer Schaffenskrise und beginnt, an allem zu zweifeln – ein Wesenszug, der den ewig suchenden Künstler und Menschen Hesse Zeit seines Lebens begleiten wird.

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meinecke_selbstThomas Meinecke: Selbst
374 Seiten, Suhrkamp Verlag 2016

Eine WG in Frankfurt am Main: Eva (Mode-Redakteurin, Kunsthistorikerin, »Prinzessin«), Genoveva (autodidaktische Sexualwissenschaftlerin, Forschungsschwerpunkte: Autogynophilie und Selfie Culture) und Venus (androgynes Model, Kulturwissenschaftlerin, Forschungsschwerpunkt: die Kolonien deutscher Vormärz-Auswanderer in Texas, insbesondere die Geschichte der nach Bettina von Arnim benannten libertären Kommune am Llano River). Sie schießen Modestrecken in der Baustelle der EZB, werden Zeuge der polizeilichen Erstürmung des Instituts für Vergleichende Irrelevanz, gehen tanzen im „Robert Johnson“ und suchen nach Zärtlichkeit jenseits einer von Freud, Foucault oder Butler als Gefängnis geschilderten Sexualität.

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nick_schattenDagmar Nick: Eingefangene Schatten. Mein jüdisches Familienbuch
272 Seiten, C.H. Beck Verlag 2015

Eine unheimliche Stimmung grundiert diese Familiensaga, die mit Flüchtlingen beginnt und mit Verfolgten endet: Die Dichterin Dagmar Nick erzählt die wechselvolle Geschichte ihrer jüdischen Vorfahren in Hamburg, Berlin und Breslau vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Selten zuvor wurde so lebendig nachvollziehbar, was jüdisches Leben in Deutschland über Generationen bedeutete.

Sie kamen aus Spanien, arbeiteten sich von Hausierern zu Hoflieferanten hoch, finanzierten als gnädig geduldete Hofjuden mehrere Herrscher, aber ihre Existenz hing immer am seidenen Faden. Ein falscher Verdacht konnte Haft und Folter bedeuten.

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scheib_lutherAsta Scheib: Sturm in den Himmel. Die Liebe des jungen Luther
384 Seiten, Hoffmann und Campe 2016
Schon mit fünf Jahren besuchte Martin Luther die Schule in Mansfeld. Mit vierzehn wechselte er nach Magdeburg, später nach Eisenach. Orte, die dem Jugendlichen ein Tor zur Welt öffneten. Damals ahnte er noch nicht, dass er einmal die katholische Kirche reformieren würde, und bis heute weiß man wenig über den jungen Luther. Asta Scheib begibt sich in ihrer Romanbiographie auf eine Spurensuche.

Martin Luther war der Sohn ehrgeiziger Eltern. Als Jurist sollte er die aufsteigende Linie der Luthers bis in die höchste bürgerliche Klasse hinaufführen. Er würde der Ratgeber von Fürsten und Magistraten sein. Also lässt man den erst Fünfjährigen auf die Lateinschule bringen. Dort warten neben dem Lateinischen auch Stock und Rute. Beides kennt Martin bereits von zu Hause. Die einzige Zuflucht in dieser Zeit ist ein Baum, der Martin schützt und tröstet. Er ist ihm Ausweg und Versteck. Und schließlich schenkt der Baum ihm das Mädchen. Sie bringt die Liebe in Martins Leben, und damit unlösbare Konflikte.
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schley_ungesichterFridolin Schley: Die Ungesichter
98 Seiten, Allitera Verlag 2016

Somalia, in einem kleinen Dorf auf dem Land. Das muslimische Mädchen Amal ist gerade 15 geworden. Sie geht zur Schule, hilft der Mutter mit den kleinen Geschwistern, in ihrer Freizeit liest sie romantische Liebesromane und hört mit ihren Freundinnen Hip-Hop-Musik. Doch dann besetzt eine islamistische Miliz über Nacht das Dorf, Tod und Terror legen sich über den Alltag. Als auch ihr Vater ermordet und Amal verschleppt wird, gelingt ihr die Flucht. Ein monatelanger Leidensweg beginnt, der sie in die Hände eines dubiosen Schleusers und durch den ukrainischen Winter führt, in ein slowakisches Lager und oft bis über den Rand ihres eigenen Verstandes.

„Die Ungesichter“ ist ein fliehendes Gefüge aus Wahrnehmung und Erinnerung, aus Erfahrungen der Gewalt und immer wieder auch unerwarteter Hilfe. Es berichtet nicht von sogenannten Flüchtlingsströmen, sondern blickt tiefer, erzählt mit den Mitteln literarischer Genauigkeit eine einzelne bewegende Geschichte – über den brutalen Verlust einer Kindheit und darüber, wie viel der Mensch aushalten kann, solange er noch Hoffnung hat.

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stein_blauBenjamin Stein: Ein anderes Blau (Prosa für 7 Stimmen)
107 Seiten, Verbrecher Verlag 2015

In einer Großstadt bricht ein Bus durch die Straßendecke hindurch in einen U-Bahn-Tunnel. Mehrere Menschen sterben. Zwei von ihnen – ein Mann Mitte dreißig und eine junge Frau – können erst nach Wochen geborgen werden.

Unterdessen fristen die beiden eine Existenz in einem Reich zwischen Leben und Tod, Träumen und Ahnungen, Tanz und Taumel. Sie finden sich wieder in der dünnen Wand zwischen zwei Wohnungen, einem leeren Raum zwischen zwei fremden Leben, in dem nur sie sich bewegen können. Sie versuchen, den Abschied hinauszuzögern, den Abschied von ihren Irrtümern und sorgsam verborgenen Gefühlen, liebevollen und erschreckenden Erinnerungen. Und wenn sie auch nicht umkehren können, verändert sich auf dem letzten Stück Weg doch noch einmal ihr Leben und das der Menschen zu beiden Seiten der Wand – unbemerkt vom Rest der sie umgebenden Welt.

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uhly_marieSteven Uhly: Marie
271 Seiten, Secession Verlag 2016

Der zwölfjährige Frido erzählt seiner kleinen Schwester Chiara eine aufwühlende Gutenachtgeschichte. Sie handelt von einem alten Mann, der ein Baby stiehlt. Als Chiara kurz darauf ihrer Mutter davon berichtet, reagiert diese schockiert. Im Affekt schlägt sie ihre Tochter. Ein Geheimnis, ein Tabu ist greifbar.

Von diesem Moment an gerät die kleine Familie aus dem Gleichgewicht. Veronika Kelber reibt sich auf zwischen ihrem Anspruch, gleichzeitig eine gute, alleinerziehende Mutter zu sein, einen neuen Partner zu finden, die Ablehnung ihres Ex-Mannes zu ertragen und jenes Wundmal zu heilen, das sie unablässig an ihr furchtbares Versagen als Mutter, Frau und Mensch erinnert. Als sie schließlich die Kontrolle über ihr Leben verliert, reißt sie ihre drei Kinder mit in einen Strudel von Ereignissen, die alles verändern werden.

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wunnicke_fuchsChristine Wunnicke: Der Fuchs und Dr. Shimamura
142 Seiten, Berenberg Verlag 2015

Vom Fuchs besessen, und das auch noch in Japan! Klarer Fall für Neurologen mit geschärftem Sinn für Menschen – vorzugsweise Frauen – neben der Spur. Dr. Shimamura (den es wirklich gab) reist in der Abendröte des 19. Jahrhunderts durch die Provinz, wo das burleske Krankheitsbild zur Folklore gehört. Ein liebestoller Student begleitet ihn, geht aber bald verloren, dafür fängt der Doktor sich selbst einen Fuchs ein (den es vielleicht auch gab). Da hilft nur noch Europa, und so flieht Shimamura auf Bildungsurlaub gen Westen, besteht neurologisch aufschlussreiche Abenteuer in Paris, Berlin und Wien. Allein, der Fuchs lässt ihn nicht los – auch nicht Jahrzehnte später zurück in Japan, wo sich dieses seltsame Leben, beäugt von allerhand weiblichem Familienanhang, seinem Ende zuneigt. Und so bleibt der Fuchs der unsichtbare Protagonist dieses fernöstlich getönten Gegenwartsromans.

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