Alle Welt redet vom Iran – aber wie soll man es anfangen, wenn man mehr über dieses zugleich so offene und verschlossene Land erfahren will? Hier sind unsere sieben Buchtipps zum Thema: drei aktuelle Sachbücher und vier zeitgenössische Romane. Ein Klick aufs jeweilige Cover führt in den Onlinekatalog der Münchner Stadtbibliothek zum Ausleihen oder Vormerken.
Sachbücher
Henner Fürtig: Großmacht Iran. Der Gottesstaat wird Global Player
Quadriga 2016, 288 Seiten
Der Schlüssel für den Frieden in Europa liegt in Teheran: Ohne Iran ist weder der IS zu stoppen, die Flüchtlingswelle aufzuhalten noch der endlose Nahostkonflikt zu lösen. Schon heute ist das Land der wichtigste Gegner des IS, und Millionen afghanischer Flüchtlinge leben in Ostiran. Nach dem Atomabkommen von 2015 und dem Ende der Sanktionspolitik wird Iran politisch und wirtschaftlich noch mal dramatisch an Gewicht gewinnen, das Land kann wieder zur wichtigsten Regionalmacht im Vorderen Orient werden, wie es das schon vor der Revolution von 1979 war. Wie dieser Staat und seine Gesellschaft funktionieren, warum wir den Iran bei der Stabilisierung des Nahen Osten dringend brauchen und welche Chancen in den neu erwachenden Wirtschaftsbeziehungen stecken, das beschreibt der Direktor des GIGA Instituts für Nahost-Studien Henner Fürtig. (Text: Verlag)
Ramita Navai: Stadt der Lügen. Liebe, Sex und Tod in Teheran
Kein & Aber 2016, 286 Seiten
Um in Teheran zu überleben, muss man lügen. Denn im „Gottesstaat“ Iran spielt sich das Leben im Verborgenen ab. Schulmädchen tragen unter dem Tschador Jeans und Turnschuhe, untreue Ehemänner pilgern nicht nach Mekka, sondern nach Thailand, brave Hausfrauen drehen Pornofilme, Mul- lahs sagen per Handy die Zukunft voraus, und beim Schönheitschirurgen werden nicht nur Nasen gerichtet, sondern auch Jungfernhäutchen wiederhergestellt. Ramita Navai erzählt von den abenteuerlichen Doppelleben der Menschen und entwirft ein faszinierendes Porträt einer Stadt, die ihren Schleier nur ungern lüftet. (Text: Verlag)
Charlotte Wiedemann: Der neue Iran. Eine Gesellschaft tritt aus dem Schatten
dtv 2017, 287 Seiten
Iran ist trotz autoritärer Regierung in jüngerer Zeit zu einem modernen, dynamischen, weltoffenen Land geworden – viel weniger religiös, dafür pragmatischer und weiblicher als nach der Revolution von 1979. Diesem „neuen Iran“ widmet Charlotte Wiedemann ihr großes Gesellschaftsportrait: von der großstädtischen Theaterszene zum schiitischen Volksislam, von der kurdischen Sufi-Zeremonie zum Sabbat in einer jüdischen Familie. Ein Alltag, in dem massenhaft gegen die Regeln des Regimes verstoßen wird; eine Zivilgesellschaft, die religiöse Ethik neu bestimmt. Zugleich analysiert die Autorin das Weltbild der Iraner, ihren obsessiven Nationalstolz, die Iran eigene Mischung aus Hochmut und Komplexen und seine im Westen oft unverstandenen Ängste. (Text: Verlag)
Romane
Shida Bazyar: Nachts ist es leise in Teheran
Kiepenheuer & Witsch 2016, 288 Seiten
1979. Behsad, ein junger kommunistischer Revolutionär, kämpft nach der Vertreibung des Schahs für eine neue Ordnung. Er erzählt von klandestinen Aktionen, funkenschlagender Hoffnung und davon, wie er in der literaturbesessenen Nahid die Liebe seines Lebens findet. Zehn Jahre später in der deutschen Provinz: Behsad und Nahid sind nach der Machtübernahme der Mullahs mit ihren Kindern geflohen. Stunde um Stunde verbringen sie vor dem Radio und hoffen auf Neuigkeiten von den Freunden, die untertauchen mussten. Sie wollen zurückkehren, unbedingt, und suchen zugleich eine Heimat in der Fremde. 1999 reist deren Tochter Laleh gemeinsam mit ihrer Mutter nach Teheran. Zwischen Kafishaps, Schönheitsritualen und geflüsterten Geheimnissen lernt sie ein Land kennen, das sich nur schwer mit den Erinnerungen aus der Kindheit deckt. Ihr Bruder Mo beobachtet ein Jahrzehnt später belustigt die pseudoengagierten Demos der deutschen Studenten. Doch dann bricht die Grüne Revolution in Teheran aus und stellt seine Welt auf den Kopf. (Text: Verlag)
Nava Ebrahimi: Sechzehn Wörter
btb 2017, 313 Seiten
Als ihre Großmutter stirbt, diese eigenwillige Frau, die stets einen unpassenden Witz auf den Lippen hatte, beschließt Mona, ein letztes Mal in den Iran zu fliegen. Gemeinsam mit ihrer Mutter wagt sie die Reise in die trügerische Heimat. Der Rückflug in ihr Kölner Leben zwischen Coworking und Clubszene ist schon gebucht. Doch dann überredet sie ihr iranischer Langzeitliebhaber Ramin zu einem Abschiedstrip nach Bam, in jene Stadt, die fünf Jahre zuvor von einem Erdbeben komplett zerstört wurde. Und Monas Mutter schließt sich den beiden an. Die Fahrt wird für Mona zu einer Konfrontation mit ihrer eigenen Identität und ihrer Herkunft, über die so vieles im Ungewissen ist. Aber manchmal wird uns das Fremde zum heimlichen Vertrauten. Und über das, was uns vertraut schien, wissen wir so gut wie nichts. (Text: Verlag)
Abbas Maroufi: Fereydun hatte drei Söhne
Büchergilde Gutenberg 2016, 297 Seiten
Die islamische Revolution 1979: Unzählige gesellschaftliche und politische Gruppen stehen sich feindlich gegenüber. Von schweren Zerwürfnissen erschütterte Familien geraten an ihre Grenzen. So auch Familie Amani, die Abbas Maroufi stellvertretend porträtiert. Einer der Söhne, der Kommunist Madjid, ist aus seiner Heimat geflohen und begegnet als Patient einer Aachener Nervenheilanstalt seiner Vergangenheit. Einer Zeit, in der er und seine Brüder sich gegen den Willen des Vaters politisierten: Assad schloss sich Chomeinis Organisation an und besetzte innerhalb kürzester Zeit wichtige Ämter, Said wurde Mitglied der Mudschaheddin und Iradsch, dem inhaftierten „Revolutionsfeind“, droht die Hinrichtung.
Maroufis Stil ist prägnant. Alles ist eins, Erzählebenen gehen nahtlos ineinander über. Folgen wir gerade noch einer Unterhaltung Madjids mit einem Mitpatienten, sitzen wir im nächsten Satz in einem Wagen, der den Geflüchteten zurück in den Iran bringen soll. Der Roman ist ein Spiegel der Revolution, seiner Dynamik kann man sich nicht entziehen. Maroufi? verdichtet das Geschehen zu einem geballten Porträt jener dramatischen Zeit. (Text: Verlag)
Abbas Maroufi liest im Rahmen von Cinema Iran: 16. Juli, 18.00 Uhr, Carl-Amery-Saal, Gasteig.
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Kathy Zarnegin: Chaya
weissbooks 2017, 243 Seiten
Teheran, 70er Jahre: Ein junges Mädchen beschließt, Schriftstellerin zu werden, und träumt von Europa. Kaum ist sie aus dem turbulenten Iran im Herzen Europas angekommen, verwandelt sich das neugierige Kind im Schnelldurchlauf in eine Frau, die plötzlich „vor dem Leben“ steht: Wie rasch lerne ich die neue Sprache, wie komme ich an Geld, was mache ich mit meinen Träumen, wo finde ich den, mit dem es sich lieben lässt?
Chaya ist ein Paradiesvogel. Unangepasst, freiheitshungrig, eine Frau, die sich von nichts und niemandem schrecken lässt, ein Großstadtwesen und manchmal sogar ein quittengelber Kanarienvogel. Wie damals „Zazie in der Metro“ streift Chaya abenteuerlustig durch eine Welt, die sich vor ihr in eine wundersame bunte Kugel verwandelt. (Text: Verlag)