Peter Schneider: Club der Unentwegten (Roman)
Als Peter Schneiders Erzählung „Lenz“ 1973 im Rotbuch-Verlag erschien, habe ich zum ersten Mal etwas von ihm gelesen. Das Buch musste man damals einfach gelesen haben. Es war ein Kultbuch. Es ist ein tolles Buch! Peter Schneider arbeitet darin seine 68er-Zeit auf, die Hauptperson Lenz hat die gleiche politische Sozialisation wie der Autor. Wer mehr darüber wissen will: hier ein Interview mit Peter Schneider. Am Anfang sieht man den Schriftsteller, als nachdenklichen, älteren Mann. Aber gegen Ende des Interviews ist er locker und frech. Er ist dann genau so, wie man ihn sich vorstellt, wenn man seine Bücher liest.
Auch „Club der Unentwegten“ ist wohl ein autobiographischer Roman, denn das Leben von Roland, der Hauptperson, ähnelt dem des Autors, der inzwischen 77 Jahre alt ist.
Roland ist Privatgelehrter mit einem Forschungsstipendium in New York. Er pendelt oft nach Berlin, wo er Lehrverpflichtungen hat. Dort bewohnt er eine eigene Dachterrassenwohnung, in New York wird ihm eine großzügige Wohnung gestellt. Es geht ihm gut, Frauen sind für ihn eigentlich kein Thema mehr.
Da taucht auf einer Begräbnisfeier in Manhattan Leyla, eine junge Iranerin, auf, eine Galeristin. Sie gefällt ihm. Vor allem gefällt ihm ihr Lachen, das alle Menschen in ihrer Umgebung mitreißt. Er steigt am Ende des Abends zu ihr ins Taxi und fährt mit zu ihr.
Eigentlich will er sich auf keine Beziehung einlassen, verliebt sich aber und stellt seine Prinzipien in Frage. Als Leyla ein Kind von ihm will, ist es gut, dass er erst einmal wieder nach Berlin muss wegen seiner beruflichen Verpflichtungen und Abstand bekommt.
Aber der Roman besteht nicht nur aus der Liebesgeschichte zwischen Roland und Leyla, sondern aus vielen weiteren von Rolands Freunden, die sich hoffnungslos in jüngere Frauen verlieben und den Schwierigkeiten, wenn sie sich aufeinander einlassen.
Da ist beispielsweise der Mann, der beim Skifahren auf einem Steilhang den Zusammenprall mit einer Felswand gerade noch vermeiden kann, stürzt und in Rückenlage kopfunter nach unten saust. Alles nur, weil er seiner jungen Geliebten imponieren wollte. Oder ein anderer, der mit seiner neuen Liebe Rücken an Rücken im Bett liegt und nicht so recht weiter weiß.
Die Freunde bezeichnen sich als „Club der Unentwegten“ und treffen sich in unregelmäßigen Abständen.
Irgendwann hatte sich der Freundeskreis darauf verständigt, dass es eigentlich nur ein Thema gab, über das zu reden sich lohnte: Liebesabenteuer und Liebesunfälle „in einem gewissen Alter.“ Solche Geschichten waren entschieden nützlicher und unterhaltsamer als Gespräche über die Zeitläufe. Die Verabredung hatte zu einem Ritual geführt, das trotz des Einflusses teurer Rotweine mit erstaunlicher Konsequenz eingehalten wurde. Kommentare zur Politik waren verboten. Antworten auf die Frage nach dem gesundheitlichen Wohlbefinden – höchstens zehn Minuten.
Das Ganze liest sich leicht und ist gut erzählt. Als kitschig (so der Vorwurf einiger Rezensent_innen) empfand ich den Roman nicht. Eher berührte es mich, wie unsicher Männer sein können.
Ein Mann kann sein Herz an eine Frau verlieren, die er seit Jahren nur vom Sehen kennt. Er hat ihren Anblick in sich aufgenommen, er lebt mit den Bildern von ihr und bildet sich irgendwann ein, dass er ohne sie nicht sein kann.
Solange es solche Männer gibt, besteht Hoffnung.
Peter Schneider: Der Club der Unentwegten. Kiepenheuer & Witsch, 288 Seiten.
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