Diskriminierung im Kinderbuch wird immer wieder heiß diskutiert, auch wir in der Münchner Stadtbibliothek setzen uns mit der Problematik auseinander. In dieser Blogreihe haben wir Beiträge zusammengestellt, die in die Thematik einführen. Im Interview mit Erziehungswissenschaftlerin Adolé Akue Doví sprachen wir darüber, wie Schwarze Kinder die Reproduktion von Rassismus in TKKG Hörspielen wahrnehmen.
Stereotypen auf der Spur
Ende der 70er Jahre hatten Detektivhörspiele Konjunktur. Gleich drei Hörspielreihen kamen auf den Markt und prägten Kinder ab dem Grundschulalter: Die Fünf Freunde (ab 1978), TKKG (ab 1979) und Die drei ??? (ab 1979). Das Prinzip der Geschichten ist überall gleich: Kinder werden jeweils in verzwickte und gefährliche Fälle verwickelt, schaffen es diese zu lösen und übergeben die Gangster schließlich der Polizei. Für die Kinder, die in ihren Zimmern den Abenteuern lauschen ein Genuss! Schließlich ist ihr Alltag eher davon geprägt Erwachsenen folgen zu müssen.
Nach dem Tod der Originalautor*innen Enid Blyton (Die Fünf Freunde), Stefan Wolf (TKKG) und Robert Arthur (Die drei ???) wurden die Reihen von anderen Autor*innen weitergeschrieben, die die Geschichten der gesellschaftlichen Entwicklung anpassten. Dennoch leben die alten Folgen fort und können über Streamingdienste weiter gehört werden. So sind zum Beispiel die 2009 vom Markt genommenen ersten TKKG-Folgen im TKKG Retroarchiv auf Spotify verfügbar.
Der Erfolg der Reihen hat allerdings eine Kehrseite: Medien sind ein Spiegel der Gesellschaft. So finden sich in den frühen Folgen der erwähnten Detektivreihen stereotype Darstellungen und Zuschreibungen. Und auch Rassismus wird reproduziert. In den Folgen der 80er Jahre waren die Gangster meistens Ausländer, Personen of Color oder Sinti / Roma wodurch rassistische Stereotype ihren Weg direkt ins Kinderzimmer fanden und immer noch finden. Diskriminierende Motive bei TKKG sind vielfach besprochen worden, beispielsweise im folgenden Artikel von nordbayern.de.
Adolé Akue Doví hat sich näher mit TKKG auseinandergesetzt. Sie ist Erziehungswissenschaftlerin und hat in ihrer Masterarbeit dazu geforscht, wie Schwarze Kinder die Reproduktion von Rassismus in TKKG Hörspielen wahrnehmen. [1] Ihre Arbeit ist inzwischen auch im Springer Verlag veröffentlicht worden und kann bei uns ausgeliehen werden.
Im Interview mit der Münchner Stadtbibliothek gibt sie Einblicke in ihre Forschungsergebnisse und erklärt, warum der in den Hörspielen reproduzierte Rassismus Auswirkungen sowohl auf weiße als auch auf Kinder of Color hat:
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[1] Kindermedien und Rassismuskritik : wie schwarze Kinder die Reproduktion von Rassismus in TKKG-Hörspielen wahrnehmen (2022), Springer VS
Gefördert im Rahmen von 360° – Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft der Kulturstiftung des Bundes.
Ich habe den Artikel und auch die Arbeit noch nicht gelesen, habe aber schon was dazu zu sagen:
Die Folge, mit der schwarzen Pest aus Indien, die hier so plakativ steht, ist schlecht gewählt und hilft gut, unüberlegt die Rassismusfahne zu schwingen.
In der Folge geht es um (schwarze) Pestviren, die importiert werden und bei einem Einbruch geklaut werden und dann wiedergefunden werden müssen. Das Titelbild bezieht sich auf einen Mann, der Nachts im Schatten sitzt und deshalb dunkel ist (Wenn man die Folge mal hört, kann man die Szene eindeutig zuordnen, die man auf dem Cover sieht).
Das herzunehmen um die Rassismussache zu verbildlichen, ist schlicht falsch.
Insgesamt finde ich, dass der Titel der Arbeit, die Schubladen von „die“ und „uns“ gut aufrecht erhält – auch in unseren erwachsenen Köpfen.
Bei Tkkg ist auffallend, dass sich durchzieht, dass der Anführer oft für einen „Ausländer“ gehalten wird und dabei immer rauskommt, dass das nicht in das Schema der Menschen damals passte, dass ein deutsches Kind auch dunkel sein kann – und es ist in den all diesen Folgen, in denen das vorkommt, immer klar, dass das in Ordnung ist, anders auszusehen. Ein dickes Kind mit – wie wir heute sagen würden – einer Essstörung gehört mit dazu und auch ein Mädchen, dass sich mit der Zeit emanzipiert und mit den „das darfst du nicht als Mädchen“ – Schubladen kämpft. Ein sehr kluger und sehr dünner Junge, der teilweise auch verspottet wird, ist auch dabei. Und alle sind ok, wie sie sind. Das finde ich auch heute noch pädagogisch wertvoll. (deshalb hat mich damals bei der Verfilmung die Auswahl des sehr blassen und unlockigen Fabian Harloff als Tim sehr enttäuscht.)
Mit einer klaren Position gegen Drogen und Alkoholkonsum, für eine Berufswahl, gegen Mobbing und Lästern, für ein nicht delinquentes Leben, für Mut, andere auf unerlaubte Dinge anzusprechen und schlechte Geheimnisse auszusprechen,….. finde ich das immer noch pädagogisch wertvoll.
Ja, eine Reflektion der rassistischen Dinge ist gut. Aber bitte auch reflektiert im Kontext – und das kann man mit Kindern auch schon. Es wäre schade, wenn all die guten Dinge, die die Serie zu bieten hat, unter der Rassismusargumentation verloren ginge.
Der Titel „Schwarze Pest aus Indien“ steht stellvertretend für die ersten Folgen von TKKG, durch die sich rassistische Äußerungen ziehen. TKKG betreiben Racial Profiling, verwenden das N-Wort und andere diskriminierende Begriffe und bedienen Stereotype über Migrantinnen bzw. von ihnen als Migrantinnen gelesene Personen. Im Internet gibt es viele Artikel dazu, z.B. diesen: https://www.nordbayern.de/panorama/sexismus-rassismus-und-gewalt-warum-das-kult-horspiel-tkkg-in-der-kritik-steht-1.13701949 Die Folge „Schwarze Pest aus Indien“ ist hier als ein Negativbeispiel aufgeführt.
In den TKKG-Folgen gibt es beide Aspekte. Freundschaft und Gerechtigkeit spielen genauso in die Geschichten mit rein wie Rassismus, Sexismus, Fatshaming und Klassismus. Beides zieht sich durch die ersten Folgen hindurch. Das Schwierige daran ist, dass man als Kind die positiven Botschaften zwar wahrnimmt, die Stereotype sich aber ebenfalls festsetzen. Daher ist es wichtig, darauf hinzuweisen und das entsprechend zu kontextualisieren. Insbesondere, wenn wir unsere positiven Kindheitserinnerungen an unsere Kinder weitergeben wollen und ihnen die TKKG-Folgen empfehlen. Man kann die Kindheitserinnerungen trotzdem wachhalten und sich gerne an die Zeit mit TKKG und anderen Kinderkrimis erinnern. Es ist ambivalent, mit der Ambivalenz müssen wir irgendwie umgehen.