Mit Happy End durch die kalte Jahreszeit

Martha M. Batalha: Die vielen Talente der Schwestern Gusmão (Roman)

In Rio de Janeiro der 1940er Jahre meistern die beiden Schwestern Euridice und Guida ihren Alltag. Sie wachsen behütet auf, und die Zukunft steht beizeiten fest: Ehe und Familie. Während sich jedoch bei Euridice irgendwann Depression und Melancholie einstellen, hat Guida mit ganz anderen Schicksalsschlägen zu kämpfen. Aber beide meistern ihre Probleme auf charmante Art und Weise.

Euridice heiratet den Bankangestellten Antenor. Keiner kann sich erklären warum:

Die einen meinen, es sei zur Hochzeit gekommen, weil José Salviano und Manuel da Costa schon vergeben waren. Andere sehen den Grund für diese Verbindung in der Erkrankung von Antenors Tante, die dem Neffen nun nicht mehr die Wäsche mit dieser besonderen Lavendelseife waschen konnte […]. Wieder andere glauben, Euridice und Antenor hätten sich tatsächlich ineinander verliebt, doch diese Verliebtheit habe genau jene drei Minuten angehalten, die ein Tanz auf dem Maskenball des Marineclubs dauert.

Nach der Geburt ihrer zwei Kinder findet Euridice, es sei an der Zeit, sich hinsichtlich ihrer körperlichen Ehepflichten zur Ruhe zu setzen. Mit Unpässlichkeit kommt sie bei ihrem Mann nicht weiter, also bessert sie ihr Frühstück, Mittag- und Abendessen mit zusätzlichen Snacks auf. Als diese Maßnahme zum Erfolg führt und Antenor von ihr ablässt, widmet sich Euridice, nach einer erfolgreichen Diät, anderen Projekten: Sie schreibt ein Kochbuch, betätigt sich als Schneiderin und widmet sich der modischen Ausstattung ihres ganzen Viertels – Hauptsache, nicht nachdenken …

5775707600001zAuch Guida trifft nicht immer die besten Entscheidungen. Sie brennt mit Marco, einen Spross aus reichem Hause durch. Irgendwann stellt Marco fest, dass er das arme Leben doch nicht so erträgt und selbst der langweiligste, goldene Käfig besser ist als eine kleine, dunkle Wohnung mitten in der Pampa. Und so verlässt er Guida …

Starke Charaktere begleiteten die unterschiedlichen Lebenswege der Protagonisten. So zum Beispiel Filomena, einst Estácios beliebteste Prostituierte, die gütig und versiert war, bis Karies und Syphilis kamen. Sie entwickelt sich schnell zur beliebtesten Tagesmutter im Viertel. Oder eine zukünftige Schwiegermutter, die den Frauen das Leben schwer macht und ausgerechnet immer dann dem Tode geweiht ist, wenn sich ihr Sohn in eine junge Dame verliebt. Man lernt auch Euridice Nachbarin Zelia, „eine Frau mit zahlreichen Frustrationen“, kennen – deprimiert, biestig und gemein. Witzig, schnörkellos und doch absolut liebevoll wird hier die Entwicklung von einer lustigen, hübschen, jungen Frau zu einer „Schnabeltier-Simulation“ geschildert.

Nachdem ich mir für das neue Jahr 2017 fest vorgenommen habe, mehr Bücher mit Happy End zu lesen, kam dieser Roman genau zur rechten Zeit. Glaubt man dem Vorwort, sind alle Geschichten wahr, und auch die außergewöhnlichen Charaktere haben angeblich wirklich existiert. Kunterbunte Lebenswege: witzig, spritzig und ideenreich. Und trotz Tragik und Schicksalsschlägen werden die Geschichten voller Lebensfreude erzählt, so dass man den eigenen Problemen mit einem Augenzwinkern begegnen kann – ein Wohlfühlbuch mit Quasi-Happy-End!

Martha M. Batalha: Die vielen Talente der Schwestern Gusmão. 217 Seiten, Insel-Verlag

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