Digital tut gut

Über Digitalisierung und Teilhabe in Bibliotheken

Vorige Woche hat das Münchner Netzwerk Kulturkonsorten ein einwöchiges Afterworkcamp veranstaltet (mehr dazu hier), bei dem ich auch eine Session abgehalten habe. Und heute stolpere ich über die Blogparade #webseidank, an der wir als Institution nicht teilnehmen können, wenn ich das richtig verstehe. Aber da ich schon lange etwas über dieses Thema schreiben wollte – der Titel meiner Session auf dem Afterworkcamp lautete: „Digitalisierung und Diversität“ –, nehme ich die Blogparade wenigstens zum Anlass, das endlich auch zu tun: über die schönen Folgen zu schreiben, welche die Digitalisierung, Web sei Dank, für Bibliotheken hat.

Wenn man manchen Zeitungen und Blogger_innen glauben will, dann arbeite ich in einer sterbenden Institution. Wenn wieder mal auf Papier oder online die Frage „Wozu braucht es im digitalen Zeitalter noch Bibliotheken?“ gestellt wird, gehe ich gerne nach unten in die Bibliothek: schaue mir an, wie an dem einen Tisch zwei Teenager ein Referat vorbereiten, am Ausleihgerät ein Vater einen Stapel Kinderbücher verbucht, eine Kollegin eine Gruppe Geflüchtete durch die Bibliothek führt, eine Bibliothekarin Buch-, Film- oder Recherchetipps gibt oder noch die schwierigste Frage – „den Titel weiß ich nicht mehr, aber es war blau“ – zu beantworten versucht.

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PressReader in Sendling: Über 5.000 tagesaktuelle und internationale digitale Zeitschriften und Zeitungen

Die Münchner Stadtbibliothek zählt fast fünf Millionen Besuche im Jahr, Tendenz steigend. Der digitale Wandel, dem diese Institution zweifellos unterliegt (und den sie vermutlich früher spürt als andere, da sie sich auch früher mit der Digitalisierung auseinandersetzen musste), macht sich unter anderem durch ein stetig wachsendes Interesse für den Aufenthaltsort Bibliothek bemerkbar. Das Bedürfnis nach Teilhabe an der Öffentlichkeit wächst – nicht trotz, sondern wegen der Digitalisierung: Das World Wide Web hat den Kommunikationsraum radikal erweitert und vielfältiger gemacht. Mit Freunden in den USA in Kontakt bleiben, eine nigerianische Zeitung abonnieren, einem Forum veganer Fleischesser beitreten? Alles kein Problem, Web sei Dank.

Auch in der Münchner Stadtbibliothek merken wir, dass unser Publikum größer und vielfältiger geworden ist, auch und gerade weil digitale Medien mehr Teilhabe ermöglichen – sei es für Menschen mit Sehschwäche, die lieber eBooks lesen, weil sich da die Schriftgröße einstellen lässt; sei es für Menschen ohne eigenes Internet, die unser freies WLAN nutzen; sei es für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, denen das digitale Leihen von Büchern, Zeitschriften, Audios ein ganz anderes Dabeisein beim Diskurs als in analogen Zeiten ermöglicht; sei es für Menschen mit Migrationshintergrund, die auf dem digitalen PressReader über 5.000 internationale tagesaktuelle Zeitungen und Zeitschriften vorfinden, um das Geschehen in anderen Ländern zu verfolgen.

Web sei Dank wird Öffentlichkeit zudem nicht mehr nur von Institutionen und großen Medienhäusern bespielt, sondern auch von Blogs, Twitter und Facebook. Im Grunde beweist noch jedes Social Network, dass es ein großes Bedürfnis nach öffentlichem Mitreden und Mitmachen gibt, nach Gemeinschaft und Kommunikation. Allerdings klingt das dann manchmal etwas anders als im Bundestag oder im ZDF: Blogs wie Leidmedien oder Africa is a Country und Twitteraktionen wie #aufschrei oder #nichtmeingesetz formulieren ihre kluge und berechtigte Kritik an der offiziellen Bedeutungsproduktion. Ein ähnliches Beispiel ist das Projekt #keinwiderspruch, das Johannes Maierhofer auf dem Afterworkcamp vorstellte (Klicktipp!).

Für eine öffentliche Bibliothek stellt dieser soziale Wandel selbstredend eine große Herausforderung dar. Aber vor allem ist er eine große Chance und eine wichtige Bestätigung ihrer Arbeit. Denn genau darum geht es ihr: darum, den interkulturellen Dialog, die soziale Teilhabe und damit nicht zuletzt die demokratische Bildung zu ermöglichen und zu fördern.

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